Mittwoch, 4. September 2019

{Rezension} Erlkönigsaga: Shadowsong ~ S. Jae-Jones

Rezension Shadowsong S. Jae-Jones JJ ivi
Shadowsong || S. Jae-Jones || ivi || Fantasy || TB || 416 Seiten || 2/2

Seit Liesl ihr Leben als Königin der Unterwelt hinter sich gelassen hat und zu ihrer Familie zurückgekehrt ist, versucht sie, die Musikkarriere ihres kleinen Bruders Josef zu fördern. Gemeinsam mit ihrer Schwester reist Liesl nach Wien, um Josef zu unterstützen. Doch Josef verhält sich kühl, distanziert und zieht sich immer mehr zurück. Als besorgniserregende Zeichen darauf hindeuten, dass die alte Barriere zwischen den Welten verschwindet, muss Liesl ihren Bruder verlassen und in die Unterwelt zurückkehren. Nur sie kann das Mysterium enträtseln, das den König der Kobolde umgibt. Was muss passieren, damit die alten Gesetze der Unterwelt gebrochen werden können und Liesls unmögliche Liebe eine Chance bekommt?


Nach dem herzzerreißenden Ende des ersten Bandes fieberte ich dieser Fortsetzung und Finale entgegen; war voller Vorfreude und auch ein wenig Sorge, als das Buch eintraf. Würde es mich (wieder) verzaubern, mitreißen, überzeugen können?!

JA! Bereits von der ersten Seite an, von den Anmerkungen der Autorin, schlug mich die düstere Welt des Erlkönigs wieder in den Bann. Wie JJ bereits in ihren einleitenden Worten warnt, ist dieses Buch bedeutend ernster, zerrissener, aufwühlender - sie und Liesl leiden unter bipolarer Störung. Manie und Wahnsinn, Melancholie und kreatives Genie, Auf und Ab... Das Buch ist eine Achterbahn der Gefühle.

»Ich hätte mich vor mir selbst ekeln sollen. Ich liebte einen Usurpator, einen Dieb, ein Untier. [...] Du bist das Monster, das ich für mich beanspruche. Vielleicht liebte ich das Monströse, weil ich selbst ein Monster war. Josef, der Koboldkönig und ich. Wir waren groteske Figuren in der Oberwelt, zu seltsam, zu talentiert, zu viel. Wir waren alle zu viel.«

Dieser zweite Band ist schockierend und ungeschönt, aber zugleich voller Zauber und Betörung; ein sprachliches und emotionales Meisterwerk. Ich litt mit und für Liesl, Sepperl und den Erlkönig, wollte sie abwechseln umarmen, schütteln oder mit Schokolade aufmuntern. Die drei, durch übernatürliche Mächte aneinander und an die Welt der Kobolde gekettet, schaffen es immer wieder nicht, ihren Gefühlen und Bedürfnissen Ausdruck zu verleihe, Raum zu geben...

Wie schon im ersten Band spielt Musik eine herausragende Rolle, gliedert das Buch und wie in einem Musikstück ist auch die Stimmung mal düster, mal hoffnungsvoll, mal langsam, mal überstürzend. Wenn man sich mehr mit Musik auskennen würde, würde man sicherlich noch größere Freude an all´ den Ausführungen und Anspielungen haben - so reicht aber auch das Glossar und das vermittelte Gefühl.

»Der Mann wird zum Monster, der Junge zum Wechselbalg, die Komponistin zu einer Wahnsinnigen. Wir sind Schmetterlinge und die Unterwelt ist unser Kokon. Ein Ort der Verwandlung und der Magie und der Wunder.«

Auch wenn die Geschichte ruhiger ist; weniger große Ereignisse geschehen, sondern sich um das Zwischenmenschliche, um die Psyche und den Wahn(sinn) der Figuren dreht, ist das Buch bei weitem nicht zäh, sondern im Gegenteil nervenaufreibend dramatisch und fesselnd. Der Erlkönig hat (leider) weniger Auftritte, die Handlung spielt größtenteils in der realen Welt; mit dem Grafen und seiner Frau sowie den Getreuen kommen neue Charaktere ins Spiel, man erfährt endlich mehr über die erste Erlkönigin und die Kindheit des jetzigen Erlkönigs. Perspektiv- und Szenenwechsel erhöhen dabei Spannung und Rätselhaftigkeit der Geschichte; mit jeder beantworteten Frage wird mindestens eine neue aufgeworfen. Können Liesl und der Erlkönig die Grenzen und Gesetze dieser Welt aufbrechen und zueinander finden, bevor der Wahn und die Wilde Jagd sie zerstören? Kann Liesl Sepperl retten und er ihr vergeben? Wie lauteter der Name des Erlkönigs; wie ist die Tapfere Maid Unterwelt und Wilder Jagd entkommen...?

Ich liebe diesen Fokus auf die innere Welt der Figuren, wie sie reifen und stärker werden, wie Liesl immer wieder zerbricht und dadurch erst ihr Selbst erkennen und akzeptieren lernt. Auch wenn ich mir mehr Szenen mit ihr und dem Erlkönig gewünscht hätte - wobei genau dieses Sehnen die Unerreichbarkeit, die Dramatik, die Melancholie, die Verzweiflung so unter die Haut gehend macht; sehnt man sich doch auch als Leser nach jenen Momenten der Harmonie und Geborgenheit. Stattdessen: Missklang, Missverständnis, Missgeschick.

In einem erschütterndem Finale klären sich (fast) alle Fragen und werden die Handlungsfäden auf befriedigende Art zusammengeführt. Ich muss sagen, dass ich das Ende absehbar fand; darum aber auch schlüssig, passend und erfüllend. Ich war nicht überrascht, aber definitiv überzeugt und berührt von jenen letzten Ereignissen und Entscheidungen.

»Denn Liebe ist unsere einzige Unsterblichkeit, und wenn die Erinnerung verblichen und verschwunden ist, dann ist es unser Vermächtnis, das bleibt.«

Für meinen einzigen Kritikpunkt an diesem grandiosen Buch muss ich in die Spoilerkiste greifen; es geht um die Geschichte des Erlkönigs. Okay, er heißt Wolfgang. Musikalisch, historisch und wegen der Wolfsanspielungen passend, aber dennoch nicht der betörende Name, den ich erwartet hätte. Sei´s drum. Viel irritierender: Wenn er seinen Namen nie kannte, wie konnte er ihn an die Mauer des Klosters schreiben, sodass Liesl ihn finden konnte? Und wie genau ist das abgelaufen: Nach dem ersten Erlkönig setzte die Tapfere Maid irgendwen auf den Thron, dann wurde Wolfgang den Wölfen geopfert, die ihn aufzogen, dann verschwand der Radmacher (wurde er Erlkönig?), Mathieu und Wolfang, der von den Wölfen zurück ist, treiben sich rum, der Wilden Jagd werden die Getreuen geopfert und es blühen Mohnblumen auf und dann traf Wolfgang als junger Mann irgendwann den vorherigen Erlkönig, ging diesen Pakt ein und wurde zum Erlkönig?)


... noch ein paar Worte zu Gestaltung und Titel:
[4/5] Stilistisch wunderbar zum ersten Band und durch die Mohnblumen zum Inhalt passend gefallen mir Cover und Innengestaltung - merkwürdigerweise ist das Buch jedoch nicht broschiert. Ich hoffe mal, dass dem nur so ist, weil ich ein Lese-/Rezensionsexemplar habe und der Verlag sich nicht entschieden hat, das Format einfach zu ändern. Wenigstens sind die Bücher aber gleichgroß, sodass das im Regal nicht auffällt. Auch der Titel harmoniert mit dem des ersten Bandes und klingt atmosphärisch und stimmig.


Fazit Shadowsong Wintersong Erlkönig Mein Herr Musik Wilde Jagd Goblin King Kobolde Unterwelt
VIELEN DANK AN PIPER FÜR DAS REZENSIONSEXEMPLAR

Eine atemberaubende, schmerzhaft schöne Verschmelzung von Wahnsinn, Musik, Sehnsucht, heidnischen Sagen und düsterem Volksglauben; eindringlich und berührend in Worte gefasst.

aufwühlend ~ wild ~ verzehrend

Wilde Jagd, Erlkönig... habt ihr zu dem Thema bereits Bücher gelesen bzw. findet ihr diese mythologischen Elemente auch so faszinierend? Habt ihr schon mal Triggerwarnungen in Büchern gehabt?


 Ähnliche Bücher in meiner Schatztruhe:
{mit einem Klick auf die Cover gelangt ihr zu den Rezensionen}
WintersongBook of LiesDance of Shadows - Tanz der DämonenHerzkönigin(Der) Prinz der ElfenScherben der DunkelheitSo kalt wie Eis, so klar wie Glas

2 Kommentare:

  1. Hey Ronja,

    ich hatte noch gar nicht gesehen, dass du diese Reihe auch gelesen hast! Ich habe die beiden Bände wirklich GELIEBT und finde es total schade, dass sie nicht so bekannt geworden sind, wie sie es eigentlich verdient hätten. Vor Band 2 hatte ich ehrlich gesagt ein bisschen Angst da ich auf keinen Fall enttäuscht werden wollte und obwohl Band 2 wirklich total anders ist als "Wintersong", ist sie dennoch genauso voller Musik und leidenschaftlicher Liebe zum Absonderlichen, Wundersamen und Monströsen. ^^ Ich mochte den Fokus auf Elisabeths Persönlichkeit sehr aber du hast schon recht: warum musste sie dem Erlkönig ausgerechnet diesen Namen geben ;-)
    Das war wirklich das aller größte Verbrechen gegen meine Vorliebe für schöne Namen (und das muss was heißen wenn einer Sepperl heißt ^^). Anstatt uns den Namen geheimnisvoll vorzuenthalten nennt sie uns einen deutschen Vornamen, der so profan und in Zusammenhang mit dem Erlkönig so lächerlich klingt, dass ich diese Szene einfach nicht ernst nehmen konnte.

    Naja, wie du siehst, hat mich diese Reihe wirklich begeistert aber das konnte ich der Autorin echt nicht verzeihen ;-)

    Liebe Grüße
    Sophia

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    1. Ahoi Sophia,

      jaaaaaaaaaaaaaa, ich LIEBE diese Bücher auch und kann es gar nicht verstehen, dass die nicht eingeschlagen sind! Ich meine - tiefsinnig, aufwühlend, atmosphärisch...!!!

      Die gleichen Sorgen hatte ich vor Shadowsong auch, aber wie du sagst, das Buch war zwar ganz anders, aber nicht minder grandios, nein sogar noch berührender, auch wegen des Vorwortes & persönlichen Bezugs der Autorin.

      Schön, dass wir uns bei den Namen einig sind. I mean, nett, dass sie zum Setting passen, aber nein. Neinneinenein. Zumal diese zwangsläufige Verbindung an den Haaren herbeigezogen wirkte.

      LG Ronja

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