Freitag, 27. März 2020

{Rezension} The Doll Factory ~ Elizabeth Macneal

 Rezension The Doll Factory Elizabeth Macneal
The Doll Factory | | Elizabeth Macneal | | eichborn | | Historisch | | HC | | 412 Seiten | | 1/1

London, 1850. Iris schuftet unter harten Bedingungen in einer Puppenmanufaktur, doch heimlich malt sie Bilder und träumt von einem Dasein als Künstlerin. Als sie für den Maler Louis Frost Modell stehen soll und von ihm unterrichtet wird, eröffnet sich ihr eine völlig neue Welt: Künstlerische Meisterschaft, persönliche Entfaltung und die Liebe zu Louis stellen ihr Leben auf den Kopf. Sie ahnt jedoch nicht, dass sie einen heimlichen Verehrer hat. Einen Verehrer, der seinen ganz eigenen, dunklen Plan verfolgt.


Mit Beenden des Buches schwirrten mir viele Worte im Kopf herum - bedrückend, krank, widerwärtig, ekelerregend, erschreckend, scheußlich... doch nach dem ich meiner Mutter von meinen Leseeindrücken erzählt hatte, konnte ich meine Gedanken sortieren:

Von der ersten Seite an hatte ich Schwierigkeiten mit dem Schreibstil - Präsenz ist einfach nicht meine liebste Erzählform und immer wieder stolperte ich darüber; es wollte einfach nicht zu historischem Schauplatz und Zeit passen. Zudem war die Sprache auch immer mal wieder vulgär und in meinen Augen unpassend neumodisch.

Dennoch konnte mich das Buch fesseln - zwar war durch den Klappentext von Anfang an klar, worauf die Geschichte hinauslaufen würde bzw. von welchem Charakter unerwartete Entwicklungen zu erwarten sind, und dennoch löste das über allem schwebende Damoklesschwert einen Lese-Sog aus. War mir das Setting und seine Beschreibung auch oft zu dick aufgetragen, zu ekelerregend, so schuf die Autorin Macneal damit auch eine bedrohliche Stimmung, eine schauerliche Ahnung zukünftigen Leids.

Und obwohl ich eben wusste, wer für dieses Leid verantwortlich sein würde, war ich doch über die Entfaltung des Wahnsinns überrascht; hatte das Verstörende unter der Oberfläche trotz Andeutungen nicht vollständig erahnen können. Wie die Elizabeth Macneal hier Schicht für Schicht das kranke Innere ans Licht bringt, immer wieder mit Symbolen und Metaphern in den verschiedenen Erzählsträngen arbeitet, um sie alle zu einem furchtbaren Ende zu führen - Hut ab für diese Leistung!

Als Kunstlaie ließen mich die Schwärmereien für Farben, Licht und Formen zwar kalt; ein künstlerischer Geist dürfte jedoch Freude an den Beschreibungen und der vermittelten Liebe zu den schönen Künsten finden. Gefallen hat mir hingegen die Liebesgeschichte, die sich ganz zart und langsam entwickelt, von stiller Zuneigung und Wertschätzung getragen.

Enttäuscht hat mich dann jedoch das abrupte Ende und das quasi nicht existente 1-Satz-Nachwort - bei dem historischen Kontext hätte ich mir viel mehr Erläuterungen der Autorin gewünscht, als nur die Anmerkung zum Nachnamen einer Nebenfigur! Dass es Präraffaelische Bruderschaft tatsächlich gegeben hat, dass Louis und seine Werke nur eine künstlerische Freiheit waren, Hintergrundinformationen zur Weltausstellung in London 1851... Schade! Zum nebenbei erwähnten Werk Ophelia erzählt die Autorin hier ein paar Hintergründe.


... noch ein paar Worte zu Gestaltung und Titel:
[4/5] Hervorzuheben ist das wundervolle Vorsatzpapier voller Schmetterlinge sowie das Lesebändchen und die Papierhaptik des Umschlages. Das Cover an sich ist mir zu gemischt im Stil; gerade die Schrift passt nicht zum viktorianischen London. Die Klappentextgestaltung hingegen ist stimmig und ansprechend. Der Titel ist hinsichtlich Iris´ ersten Arbeitsortes und Silas´ Mäusehauses passend; dennoch überzeugt er mich nicht vollständig.


 Fazit Bewertung The Doll House Luebbe eichborn Bastei Luebe Abgründe Seele Psycho Wahnsinn Besessenheit Obsession Weltausstellung viktorianisches London 1851 Expo
VIELEN DANK AN BASTEI LUEBBE FÜR DAS REZENSIONSEXEMPLAR

Für die Konzeption und den Aufbau der bedrückenden Atmosphäre zolle ich der Autorin allerhöchsten Respekt; für mich waren die Abgründe der menschlichen Psyche in Kombination mit dem alltäglichen Leid, Dreck und Elend jedoch zu viel, das beklemmende Gefühl minderte mein Lesevergnügen erheblich.

unheilvoll ~ erschreckend ~ kongenial

Seid ihr (beim Lesen) empfindlich oder können euch Leid/Ekel/Abgründe nicht schrecken? Ist euch das Nachwort bei historischen Büchern wichtig oder lest ihr das gar nicht?


 Ähnliche Bücher in meiner Schatztruhe:
{mit einem Klick auf die Cover gelangt ihr zu den Rezensionen}
(Das) Amulett der Ewigkeit Book of Lies Darkmere Summer Melmoth (Der) schwarze Skarabäus Wintersong

4 Kommentare:

  1. Hallo Ronja,
    also extreme Gewalt/auch im sexuellen Bereich egal gegen wen auch immer geht bei mir gar nicht...
    Ich finde es außerdem interessant und spannend..wie weit Realität bzw. Fiktion gerade auch bei historischen Romanen eine Rolle spielt.
    Bleib gesund..LG..Karin..

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    1. Ahoi Karin,

      ja, da hatten wir ja schon mal drüber gesprochen & ich kann dir nur zustimmen. Ist hier auch nicht der Fall, also keine extreme Gewalt oder so, aber Prostitution, Dreck, Elend, Gefangenschaft... war mir halt irgendwie alles zu viel ^^

      Alles Liebe
      Ronja

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  2. Oh nein, ich war gerade etwas traurig, als ich deine Rezension gelesen habe. Hatte das Buch auch schon im Blick (natürlich aufgrund der schönen Gestaltung und des Vorsatzpapiers), aber ich bin ja auch gar kein Fan davon, wenn die Sprache so extrem derb wird und das irgendwie nur unnötig ist... Schade, vielleicht lasse ich es dann erstmal sein.


    Liebe Grüße
    Karin

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    1. Ahoi Karin,

      also extrem derb ist es nicht, manche Begriffe. Mich störte beim Sprachstil vor allem das Präsenz. Derb sind eher die Situationen - Prostitutionen, Elend, Dreck, tote Tiere, Fäkalien...

      LG Ronja

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