Montag, 13. April 2020

Came with nothing, leave with everything ~ ein Jahr später, oder was sich verändert hat

 #oc1819 OceanCollege Pelican of London Atlantik Reise Meerweh

Ahoi! In den letzten Tagen habe ich viel in Erinnerungen geschwelgt, gelacht und geweint - heute vor genau endete in Brest meine sechsmonatige Reise. Uns allen, Teilnehmenden wie Hierbleibenden war klar, dass eine solche Zeit, auf engstem Raum, auf See und in so vielen verschiedenen Ländern, uns alle verändern würde. Wie sehr, konnte doch niemand erahnen...

Wir kamen zurück, braungebraunt und blondgebleicht, mit Shanties auf den Lippen und Flecken auf der Kleidung. Vom Öl, vom Salz, vom Essen, von Farbe und von Regenwaldpflanzen. Wir spülten intuitiv vor jedem Toilettengang, waren ein zweites Besteckstück nicht mehr gewöhnt, da wir die zweite Hand zum Festhalten des Tellers brauchten und wir konnten uns nicht daran erinnern, das letzte Mal länger als acht Stunden am Stück geschlafen zu haben. Aber wir waren glücklich. So verdammt glücklich. Und stolz. Zwei Atlantiküberquerungen, so viel Neues, so viele Grenzen überschritten...

Vor der Reise hatte ich mein Leben ziemlich weit geplant, Bachelor, Master, Diplomatenausbildung. Nach der Rückkehr stand ich vor einem ziemlichen Scherbenhaufen. Im Herzen wusste ich, dass ich gefunden hatte, was ich wirklich tun will, vielleicht sogar muss. Das zu verstehen, akzeptieren und umsetzbar machen zu können, kostete mich einige Zeit. Heute bin ich nicht nur voller Sehnsucht nach Schiff, Crew und Meer, sondern auch voller Träume und Pläne und Wünsche. Ich will bei Hapag Lloyd die Ausbildung zum Nautischen Offiziersassisten machen, das Nautikstudium in Rostock, auf Containern, Tankern und Kreuzfahrtschiffen arbeiten, sooo viele Segelschiffe kennenlernen, die Welt sehen, in die Antarktis mit meiner Mutter, nochmal den Atlantik überqueren, irgendwann Projektleiterin bei OC sein, meinem Vater in Offiziersuniform von der Brücke winken, bei TallShipRace teilnehmen...

Manchmal kann ich es kaum glauben, dass ich diese verrückte Reise, dieses unfassbare Abenteuer tatsächlich erlebt habe. Weil es so unbeschreiblich großartig war, weil jeder Moment sich so tief eingebrannt hat und es doch immer wie "ach jaaaa, stimmt!"-Momente gibt. Weil ich weiß, wie sehr ich mich weiterentwickelt habe, meine Komfortzone verlassen und an meine Grenzen gestoßen bin, sie teilweise überschritten habe - und doch irgendwie ich geblieben bin. Als hätte ich einen Teil von mir gefunden, von dem ich nicht gewusst hatte, dass es ihn gibt. Und ohne den ich mich jetzt nicht mehr ganz fühlen kann. Nicht mehr so tiefenglücklich und erfüllt sein kann.

 Pelican of London Adventure under Sail sailaway

Ich habe gelernt, dass tägliches Duschen oder gar Baden, ein eigenes Zimmer, Internetzugang und Supermarktnähe, ein kompletter Kleiderschrank oder Bücherregal, dass all´ das Luxus ist. Luxus, ohne den ich nicht nur zwangsweise leben kann, sondern den ich nicht brauche. Luxus, den ich nun noch mehr zu schätzen weiß. Essen, was, wann und wie viel ich will - das stellte sich als das heraus, was mir auf der Reise am meisten fehlte. Nicht meine Dinge, mein Bett, die Dusche oder das Tanzen. Seit meiner Rückkehr weiß ich Brötchen, Käse und Joghurt viel mehr zu schätzen, habe das Kochen und Backen für mich entdeckt, weiß, dass Abspülen gar nicht so schlimm ist, wenn nicht Geschirr von 40 Leuten plus die riesen Töpfe und Wannen zu schrubben sind. Ich bin lockerer geworden, lebe und genieße bewusster, mache regelmäßiger Sport, schaue sehnsuchtsvoll in den Sternenhimmel, auf der Suche nach bekannten Konstellationen und kann mich in schwierigen Situationen daran erinnern, dass ich viel Verrückteres durchgestanden habe.

Vor allem aber bin ich so verdammt dankbar, diese Erfahrung(en) gemacht haben zu dürfen, im wahrsten Sinne des Wortes meinen Horizont erweitert zu haben. Einen Teil der Welt gesehen, eine neue Familie, ein neues Zuhause gefunden zu haben.

6 Kommentare:

  1. Hallo liebe Ronja,

    du bist wirklich ein ungewöhlicher/außergewöhnlicher Mensch und ich verfolge gerne Deine Entwicklung.
    Denn Du schwimmst seit einiger Zeit gegen den Sturm, wenn ich mir so die jungen Leute anschaue.......

    Und da kenne ich einige gerade auch in Deinem Alter....Hut ab vor Deinem Tuen!!!

    Sei hier an dieser Stelle mal gedrückt ...das Du so bist wie Du bist!!

    LG...Karin...

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    1. Ahoi Karin,

      DANKE für deine wundervollen Worte! ♥ Nicht immer leicht, das gegen-den-Strom-schwimmen, aber letztlich so viel erfüllender...

      Fühl dich zurück gedrückt und danke für deine treue Leserschaft und stets lieben Kommentare!

      LG Ronja

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  2. Moin Ronja,

    da hast du wirklich wichtige und tolle Erfahrungen gemacht! Ich finde sowieso, dass mehr junge Menschen einfach mal etwas außerhalb ihrer Komfortzone machen sollten, um für sie selbstverständliche Dinge mehr zu schätzen zu wissen. :) Ich musste für mein Studium zB 4 Monate auf einem landwirtschaftlichen Betrieb aushelfen und puh, da merkt man erstmal, was für anstrengende Arbeit hinter unserem Essen steckt!

    Übrigens haben von meinen ehemaligen Kommilitonen fast alle nach dem Master etwas ganz anderes angefangen - das ist also gar nicht mehr so unüblich, wird aber leider immer noch von der älteren Generation wenig akzeptiert... >.> Mein Freund zB war schon im Master total unglücklich mit seinem Fach, hat es aber durchgezogen. Mit dem Ergebnis, dass er sich absolut nicht vorstellen konnte, jemals in dem Bereich zu arbeiten. Jetzt macht er ein Zweitstudium in etwas komplett anderem und ist damit soooo viel zufriedener. Aber natürlich interessiert das keinen. Wir bekommen immer nur zu hören, dass er ja nicht ewig nur studieren kann... >.> Dabei sollte ein zufriedenes Leben doch weit über dem finanziellen Erfolg liegen.

    Von daher: Zieh das Umsatteln auf etwas Maritimes bloß durch! :3 (Aber bitte nicht auf Kreuzfahrtschiffen, die die Umwelt verpesten. ;D)

    Schöne Grüße
    Alica

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    1. Ahoi Alica,

      danke zunächst für deine wundervollen und lieben Worte! Und nein, von der Seefahrt lasse ich mich nicht mehr abbringen, dafür brennt mein Herz schon zu lichterloh und ich vermisse das Meer zu schmerzlichst ^^

      Aber ja, dieses schlechte Gefühl "immer noch/schon wieder" zu studieren, habe ich dennoch. Ich habe einfach das Gefühl, schief angeguckt zu werden. Obwohl es doch irgendwie fast schon normal geworden ist und irgendwie ja auch mein Ding... Viel Erfolg und Freude dann weiterhin deinem Freund; er ist nicht allein :)

      Uh, Landwirtschaftspraktikum... stelle ich mir echt hart vor... aber lehrreich ^^

      Liebe Grüße
      Ronja

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  3. Hallo Ronja,

    das kommt mir alles recht vertraut vor. Ich war ja auch ein paar mal mit einem Traditionsseger (Thor Heyerdahl 50m, ca. 50 Leute) unterwegs, auch wenn das nur jeweils einige Tage waren war es schon krass wie groß einem plötzlich ein Behinderten WC im Zug vorkommt. Auf dem Segelschiff geht's halt unglaublich eng zu und Privatsphäre gibt es quasi nicht. Man kann anderen auch nicht aus dem Weg gehen, sondern muss Konflikte irgendwie austragen.

    Vergleichbare Erfahrungen bzgl. den Dingen die man wirklich braucht habe ich auch bei meinem Pacific Crest Trail Hike letztes Jahr gemacht. Man braucht erstaunlich wenig. Wasser, Essen, Schutz (z.B. Zelt, wasserdichte und oder wärmende Klamotten) und selbst ab und an eine Dusche kann schon Luxus sein.

    Auch weitab in der Natur bzw. der Wüste muss man immer wieder entscheiden: Wie viel Wasser nehme ich mit um bis zur nächsten Wasserquelle zu kommen (die sind nie absolut sicher) und welches und wie viel Essen benötige ich? Traue ich ich mir den Weg / die Flussquerung zu und was mache ich wenn nicht. Finde ich eine Alternative? Gehe ich zurück usw.

    Arm dran sind alle, die für dieses Jahr derartige Dinge geplant hatten.

    LG

    Torsten

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    1. Ahoi Torsten,

      ach die Heyerdahl, die haben wir (mehrmals) getroffen; die machen ja auch ein ähnliches Projekt ^^ Und ja, auf die Enge & Nähe muss man sich einlassen können; sie hat aber auch etwas warmes, familiäres & wunderschönes...

      Deine Posts zum Trail hatte ich verfolgt; wandern ist zwar GAR NICHT meins, aber ich kann mir gut vorstellen, was für ein verrücktes Erlebnis das ist ^^ Vor allem die Natur und die Stille und die Zeit für die eigenen Gedanken...

      Und ja, total, die Leute tun mir auch echt leid. Abi und jetzt Breakyear... na herzlichen Glückwunsch ^^

      Liebe Grüße
      Ronja

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Lass´ mir doch einen Kommentar da! Ich würde mich über deinen Landgang sehr freuen :)