Donnerstag, 18. Mai 2023

Und, wie ist das so als Frau auf See?!


Ahoi! Vor wenigen Tagen bin ich abgemustert und habe meine Ausbildungszeit als Nautische Offiziersassistentin damit offiziell beendet; die 12 Monate Seezeit sind voll. Ich bekomme ja viele Fragen dazu und werde bestimmt in der nächsten Zeit auch noch einiges berichten - anlässlich des heutigen International Day for Women in Maritime möchte ich auf eine Frage eingehen, von der ich eigentlich hoffe, sie irgendwann nicht mehr (oder zumindest nicht mehr als allererstes) zu hören: Wie es so sei auf See, als Frau. Mal abgesehen davon, dass ich die Frage nur für mich, aus meiner persönlichen Erfahrung, beantworten kann, ist die Antwort nicht klar und in einem Satz formulierbar. 

Ich spreche aus der privilegierten Position, für und in einem Unternehmen meine Ausbildung gemacht zu haben, das Wert auf Diversität und Ablehnung von Diskriminierung legt. Und trotzdem ist die (meine) Welt der Seefahrt nicht rosarot.

Glücklicherweise habe ich (bisher) keine Übergriffigkeiten oder aufdringliche, sexistische Kommentare erfahren müssen; eine Rolle spielt mein Frausein jedoch trotzdem. Das offensichtliche Unwohlsein der Maschinisten, wenn ich zum Händewaschen in die Umkleide komme, während sie T-Shirts wechseln, wie ich - meist lieb gemeint - "leichtere" oder "bessere" Arbeiten an Deck zugeteilt bekomme, die Blicke und Sprüche von Hafenarbeitern, die Befangenheit und Unsicherheit mir gegenüber (gerade bei Feiern und Karaokeabenden)... ich werde primär und zuallererst als Frau wahrgenommen. Das nervt! Ich wünsche mir, nicht doppelt so hart arbeiten, mich beweisen und betont un-weiblich geben zu müssen, um akzeptiert und respektiert zu werden. Mir nicht täglich meines Frauseins bewusst (gemacht) zu werden und darauf reduziert zu werden. Ich will Dinge nicht "für eine Frau" gut machen, das Seefahrtsleben nicht rocken, obwohl ich eine Frau bin und nicht verwundert und fast schon empört gefragt werden, ob ich mir das gut überlegt habe, wegen Familie und so. Abgesehen davon, dass es niemanden etwas angeht, ob ich Mann und Kinder, Frau und Schildkröte oder ein Haus voller Katzen will - Männer werden das nicht (als erstes) gefragt. Da wird irgendwie stillschweigend von ausgegangen, dass eine Partnerin das schon meistert, kürzertritt und überhaupt, mit oft abwesendem Papa können Kinder ja besser aufwachsen als mit vielreisender Mama. Welch Doppelmoral!

In meiner Freizeit segele ich ja - und die tallship community hat das bereits geschafft. Sie ist in jeglicher Hinsicht diverser (und jünger) - dort werde ich maximal als "die Deutsche" wahrgenommen; vor allem aber als Individuum. Es ist nicht mal ungewöhnlich, wenn die Crew aus mehr Frauen als Männern besteht. Es ist kein Thema. Hierarchien spielen allgemein eine geringere Rolle. Und das ist so schön.

Es sind die Kleinigkeiten, die zeigen, dass Frauen in der Seefahrt (noch) nicht mitgedacht werden; ob es fehlende Badmülleimer und Duschabflusssiebe, viel zu große Schutzbekleidung, die Umkleideproblematik oder das Nichtvorhandensein von Hygieneartikeln in Bordshop/-apotheke sind. Und ja, es tut sich was. Das Bewusstsein wächst. Aber solange ich als Frau beim Anmustern ein Gespräche à la "Es sind ja letztlich auch nur Männer, also passen Sie ein bisschen auf; spielen Sie die Jungs nicht gegeneinander aus" und "zu Ihrem Schutz kriegen Sie eine Kabine auf dem Offiziersdeck statt neben dem Gemeinschaftsraum" führen muss, so lange ich in quasi jedem Hafen schmierig angestarrt, angequatscht und sogar fotografiert werde und solange ich an Land permanent Auskunft zu meiner Planung bezüglich Vereinbarkeit von Beruf und Familie geben soll - so lange, wie "Wie ist denn das so als Frau auf See?" eine Frage ist und ich sogar dazu in der Lage bin, darauf eine Antwort über Schulterzucken hinaus zu geben; so lange haben wir es noch nicht erreicht.


Ich wünsche mir, dass Identität irgendwann eine so geringe Rolle spielt, wie Augen- oder Haarfarbe. In der Welt im Großen, wie in der Seefahrt im Kleinen.

16 Kommentare:

  1. Ahoi Ronja,

    was für ein guter und wichtiger Beitrag und ich muss zugeben, dass auch ich mich das schon gefragt habe, wie es dir so als Frau auf See ergeht. Hauptsächlich aus der "Bist du die einzige Frau an Board?"- Denkweise.

    Wie geht es für dich jetzt nach deiner Ausbildungszeit weiter?

    Liebe Grüße,
    Sandra

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    1. Ahoi Sandra,

      ja also auf Containerschiffen ist man als Frau meist die Einzige an Bord - wobei ich bereits mit einer zweiten und einer ersten Offizierin gefahren bin und es mittlerweile auch Kapitäninnen in der Firma gibt. Es wird. Langsam.

      Für mich geht im September die Uni wieder los; noch zwei Jahre Studium bis zum Patent. Bis dahin steht ganz viel Segeln diesen Sommer an :D

      LG Ronja

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  2. Hallo Ronja,

    ich habe deinen Beitrag interessiert gelesen und kann mir vorstellen, dass du dich als Frau auf See immer irgendwie rechtfertigen musst. Die Frau eines Schulfreundes von mir wurde vor fast 30 Jahren die erste Pilotin bei der Lufthansa und das war auch eine Position, die oft hinterfragt wurde. Immerhin hatte sie nicht mit ihren Kollegen gemeinsam die Waschräume zu nutzen.
    Deine Zeit auf See hast du nun erst einmal hinter dir und ich freue mich, wie du das Leben auf See so meisterst. Mit der Einstellung wirst du es auch zur Kapitänin schaffen, die dann ja neue Interessierte anlocken wird.

    Liebe Grüße und eine schöne Segelzeit für dich,
    Barbara

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    1. Ahoi Barbara,

      oh ja, Frauen in der Fliegerei ist auch so ein Ding... meine Mama ist ja Flugbegleiterin und kriegt noch heute dumme Sprüche mit, wenn die Leute (nein, eigentlich die Männer!) Pilotinnen im Cockpit sehen, seufz. Und ja, meine Hoffnung ist es, dass jede einzelne Frau es den nächsten leichter machen wird und wenn auch ich dazu beitragen kann, wäre das großartig. Mal sehen, was die Zukunft bringt ;)

      Danke auf jeden Fall für deinen lieben Worte & Wünsche ♥
      LG Ronja

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  3. Schönen guten Morgen Ronja!

    Vielen Dank für deinen Einblick - das finde ich sehr spannend!
    In einem so von Männern dominierten Beruf bzw. der ganzen Szene der Schifffahrt ist es grade wegen den vielen Vorurteilen sicher oft nicht einfach. Aber das Umdenken geht einfach nicht von heute auf morgen - und ich bin auch absolut für Gleichberechtigung.
    Männer sind aber halt oft einfach Männer. Sorry für dieses über den Kamm scheren :D Aber wenn eine hübsche Frau der Hahn im Korb ist gibt es eben oftmals kleinere Schwierigkeiten, ob privat, im Beruf oder in der Freizeit... Es ist schade dass man da immer noch "aufpassen" muss und du solche Sachen gesagt bekommst (oder eine Extra Kabine woanders), aber die Veränderungen brauchen eben auch ihre Zeit. In anderen Berufen ist das schon fortgeschrittener weil Frauen da mittlerweile eben dazugehören, bei der Seefahrt steckt es wohl noch in den Kinderschuhen.

    Vielleicht bin ich da noch etwas altmodisch (bin ja auch schon älter :D ) aber ich würde es sogar eher als Kompliment sehen wenn man sagt, dass ich es als Frau schaffe in diesem Beruf "zu rocken" wie du es so schön sagst. Das zeigt ja an sich, dass die Männern dich akzeptieren und es gut finden, was du machst. Als "Frau" wirst du immer gesehen werden, du bist ja auch eine ;) Dass man irgendwann dann einfach als Mitglied der Mannschaft akzeptiert kommt sicher auch noch.

    Ich hoffe, du verstehst mich jetzt nicht falsch ^^ Ich bin genau deiner Meinung und verstehe, wie nervig diese Sticheleien sein können und einen auf das Geschlecht reduziert. Aber das wird sich ändern, wie sich schon so vieles geändert hat. Ich wünsch dir jedenfalls weiter viele positive Erfahrungen und finde es toll, dass du diesen Wandel so direkt erleben kannst!
    Eigentlich denkt man ja, dass Frauen in der heutigen Zeit diese Anschauungen hinter sich haben, aber in manchen Berufsgruppen ist dieser Wandel halt noch nicht ganz angekommen...

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Ahoi Aleshanee,

      ja, ich hoffe & glaube auch, dass Seefahrt noch auf dem Weg ist, dass es irgendwann "besser" wird und irgendwie jede Frau mehr eine kleine Veränderung bringt - wir werden sehen ^^

      Und keine Sorge, ich versteh schon, wie du das meinst - auch wenn "Männer sind halt Männer" mir sehr widerstrebt, haha :D Naja, jetzt geht´s erstmal segeln, da werde ich garantiert eine unbeschwerte schöne Zeit haben :)

      Sonnigen Gruß & Danke für deinen Besuch und ausführlichen Kommentar
      Ronja

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    2. Joa, "Männer sind Männer" das mag man heutzutage oft nicht hören - aber es ist halt bei den meisten einfach so ;) Das sind festgefahrene Muster, die sich nicht so leicht lösen lassen.
      Und in manchen Bereichen, die noch immer von Männern dominiert sind, dauert es einfach länger. Aber die Veränderung ist ja da und wird spürbar :)

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    3. Auf die Veränderung! :D

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  4. Hi Ronja,

    das glaube ich gern, dass Du als Frau immer wieder auf diese Probleme stößt. Nicht weil ich eine Frau wäre oder divers, sondern weil ich in einem Ingenieurberuf arbeite, in dem der Frauenanteil ebenfalls extrem gering ist. Es scheint in allen "Männerberufen" so zu sein, dass Frauen sich ersteinmal beweisen müssen, dass sie die gleiche Arbeit leisten können, "obwohl" sie Frauen sind.

    Ich bin tatsächlich immer wieder mal angeeckt, weil ich mich gegen den Chauvinismus in so mancher Firma gestellt habe. Und oftmals konnte ich nur den Kopf schütteln angesichts so mancher Kommentare vor allem von Chefs.

    Andersherum mag es vielleicht auch hier und da problematisch sein, selbst erlebt habe ich das aber nur bei Erziehern in KiTas, die keine Mädchen in den U3-Gruppen wickeln bzw. generell keine nackten Mädchen erblicken durften.

    Ich hoffe natürlich auch, dass sich die (Geschlechter-)Vorurteile irgendwann mal geben werden, aber erleben tu ich es anders. Vielleicht findet der Wandel auch erst mit einem Generationswechsel statt?

    Dir auf jeden Fall ein herzlichen Dank für diese Einblicke. Ich fand es spannend, wenn Du immer wieder mal vom Leben auf hoher See geschrieben hast. Und viel Spaß beim Segeln und Beendigen Deines Studiums.

    Viele Grüße
    Frank

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    1. Ahoi Frank,

      ja ist echt so, dieses "Beweisenmüssen" ist so unnötig und kräftezehrend - und omnipräsent in "Männerberufen". Umso wichtiger und schöner, wenn nicht nur Frauen dagegen was sagen, sondern gerade auch andere Männer bei Chauvinismus & Sexismus den Mund aufmachen. Danke :) Letztlich profitieren ja auch alle von nem entspannteren (und inklusiven) Arbeitsumfeld; muss nur noch in manche Köpfe rein, das Gerechtigkeit kein Kuchen ist, bei dem die Stücken durch mehr Leute kleiner werden ^^ Und voll, klassische "Frauenberufe" sollten genau das auch nicht sein - alle Menschen sollten einfach das tun und lassen dürfen, was ihnen gefällt und zusagt. Auf den Generationenwechsel hoffe ich da auch, aber mal sehen ^^

      Freut mich auf jeden Fall, dass du vorbeigeschaut hast und so einen schönen Kommentar zurückgelassen hast - bis demnächst also & immer eine Handbreit Wasser unterm Kiel :D

      LG Ronja

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  5. Schönen guten Morgen!

    Ich hab deinen Beitrag heute in meiner Stöberrunde verlinkt :)

    Liebste Grüße und einen guten Start ins Wochenende!
    Aleshanee

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    1. Uih, danke dir liebe Aleshanee!
      Dir auch ein wunderbares Wochenende (wenn auch etwas später, haha)

      LG Ronja

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  6. Hallo Ronja,

    ohne Aleshanees Stöberrunde hätte ich deinen Beitrag übersehen, dabei lese ich total gern, wenn du berichtest. Mich interessiert, wie es für dich zur See ist, aber ganz allgemein und ich wäre auch interessiert, wenn du ein Mann wärst. :D Es ist halt ganz anders als mein Berufsalltag.

    Den Beitrag finde ich ebenfalls sehr spannend und ich denke, es ist nach wie vor in vielen Berufen so, nur spürt man es bei deiner Berufung "mehr" oder es ist offensichtlicher.

    Danke für diesen tollen Einblick!

    Liebe Grüße
    Nicole

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    1. Ahoi Nicole,

      freut mich, dass dir der Einblick gefallen hat! Wie gesagt - super subjektiv. Aber ja, solche Unterschiede sind doch noch in vielen Berufen spür- und erfahrbar; durchaus auch andersherum; Stichwort Erzieher*in...

      LG Ronja

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  7. Oh wow Ronja

    Dein Beitrag hat mich einige Male leer schlucken lassen. Ich denke, die meisten von uns wissen, dass es in klassischen "Männerberufen" (ich hasse diese Einteilung eigentlich, aber du weisst, was ich meine) oft schwierig ist, sich als Frau zu behaupten. Was du aber erlebst, ist eine ganz heftige Kombination, finde ich. Wenn man nämlich auch noch den Alltag zusammen verbringt und nach Feierabend nicht einfach nach Hause gehen kann und dann tatsächlich "Schutz" benötigt (oder einfach für alle Fälle auf Nummer sicher gegangen wird) und wenn man auch von aussen (zum Beispiel eben bei Landgängen) so heftige Reaktionen erlebt, ist das definitiv noch einmal eine andere Hausnummer. Du kannst dich dem ja kaum entziehen... Und natürlich müssen wir nicht darüber diskutieren, dass es eigentlich nur schon eine Zumutung ist, dass man sich diesem Verhalten überhaupt irgendwie entziehen muss, um sicher zu sein...

    Und ich finde es sooo schlimm, dass leider oft in diesen festgefahrenen Mustern weitergedacht und vielen Männern ihr Verhalten verziehen wird, indem man es einfach mit ihrer Natur entschuldigt, absolut furchtbar. Dieses ständige für sich einstehen, noch mehr leisten, sich noch mehr beweisen müssen, das stelle ich mir unendlich kräftezehrend vor.

    Schön, dass du doch auch einige positive Erfahrungen machen und auch schon weibliche Vorbilder erleben durftest, das ist extrem viel wert. Und trotzdem hoffe ich, dass in den nächsten Jahren (auch durch einen Generationenwechsel) noch viel mehr Bewegung in die Sache kommt und alle Menschen erkennen, dass ein Miteinander auf Augenhöhe und mehr Diversität uns allen hilft.

    Alles Liebe an dich, ich drücke dich
    Livia

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    1. Ahoi liebe Livia,

      ja ich weiß genau, was du meinst; mag die Begriffe "Männer- und Frauenberufe" auch gar nicht, aber es fängt die Realität und verbreitete Denkweise halt schon ein ^^ Es ist wirklich ein schwieriger Spagat und meiner Meinung nach sind die Erwartungen an uns Frauen widersprüchlich - einerseits nicht zu "weiblich" sein zu dürfen weil schwach und unpassend, aber andererseits nicht zu fordernd und "maskulin" sein dürfen weil bossy, unsympathisch oder zickig. Excuse me?! Selbst wenn ich so sein wollte, wie von mir erwartet, ist das irgendwie gar nicht umsetzbar. Zumal es nicht meine Verantwortung sein sollte, dass "mir nichts passiert" sondern verdammt nochmal die der Typen -.- Gleichzeitig aber auch die Überraschung von gutmeinenden Männern über alltägliche Erfahrungen; viele Männer denken echt, "wir hätten es geschafft" und alles sei schick und können es dann gar nicht fassen, dass ich als weiblich Seefahrerin zB in Häfen fast immer komisch angeguckt/ angesprochen/ fotografiert werde... ist leider irgendwie Alltag und die haben das nicht mal mitbekommen.

      Aber ja, nicht alles ist schlecht, es wird besser und in der Segelei sowieso - diesen Sommer waren wir immer mehr Frauen in der Besatzung als Männer und bereits der Fakt, nie die einzige zu sein, nicht als "die Frau" gesehen, sondern als Individuum wahrgenommen zu werden, ist bereits soooo viel wert! Ich hoff aber auch, dass Generationswechsel und zunehmende Sensibilisierung ein besseres Miteinander bringen werden...

      Ganz liebe Grüße zurück und danke für deinen langen Kommentar
      Ronja

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Lass´ mir doch einen Kommentar da! Ich würde mich über deinen Landgang sehr freuen :)