Das Flüstern des Goldes || Nicole Chisholm || Selfpublisher || Historisch || eBook || 332 Seiten || 2/4
Schottland, 1812. Seit der Flucht aus England prägt die Armut Fran Westons Alltag. Ein Schatz im Indischen Ozean könnte sie aus den Fängen der Mühsal befreien. Ohne Geld, ohne Gönner und ohne Schiff – ein unmögliches Unterfangen. Die Gesetze und die Gesellschaft stellen sich ihr in den Weg wie eine unüberwindbare Mauer. Gemeinsam mit ihren Freunden und Komplizen beschließt sie einen waghalsigen Plan. Auf ihrer Reise zum Gold trüben Zweifel und Misstrauen die Tage. Fran kämpft um ihre Autorität, führt ein Rennen gegen die Zeit und ahnt noch nicht einmal, wer ihr wahrer Feind ist. Und da wäre auch noch dieser Mann, in dessen Saphiraugen sie sich auf Anhieb verirrt…
Es ist soweit! Endlich sticht Frances in See und die versprochene Piraterie beginnt... Seit Frances´ Flucht aus England sind mittlerweile fünf Jahre vergangen, in denen sie zu einer selbstbewussten jungen Frau herangereift ist, die zwar nicht immer weiß, was sie möchte, aber immer, was sie nicht will.
Genau diese "Schwäche" zeichnet alle Charaktere der Autorin aus - sie sind nicht übermenschlich stark, vollkommen und perfekt, sondern haben Ecken und Kanten, Fehler und Probleme. Kurzum: Sie sind menschlich. Eine herrliche Abwechslung, gerade wenn man als Fantasyleserin ansonsten fast nur mit makellosen Helden konfrontiert wird, die dazu auserkoren sind, die Welt zu retten. Frances nicht! Sie muss sich ihr persönliches Glück hart erarbeiten und verlustreich erkämpfen.
»Nimm es, greif zu, sagte meine innere Stimme, die früher
einmal Gaeldir gehört hatte, meinem blutrünstigen Dänen, der nur in meiner
Fantasie gelebt hatte. Heute brauchte ich ihn nicht mehr. Ich war mit dem Drang
nach Freiheit und Abenteuern schon so verwachsen, dass diese Sehnsüchte von
selbst aus meinem inneren Seelentopf heraussprudelten, sobald ich nur einmal
kurz den Deckel anhob. Und Nates Vorschlag, so irrsinnig er auch klang, öffnete
diesen Deckel zur Gänze.«
Während Sir Wellington, Duncan und ihre zusammengewürfelte Mannschaft auf den ersten Blick nicht als Sympathieträger zu identifizieren sind, durchleben sie Herausforderungen und charakterliche Veränderungen, sodass am Ende des Buches von einem eingeschweißten Team zu sprechen ist. Henry hingegen ist in den vergangenen fünf Jahren über sich hinausgewachsen, ohne dabei jedoch seine Herkunft (oder Fran) vergessen zu haben...
Der Anfang des Buches ist durch ein gemütliches Erzähltempo geprägt und ich brauchte auch eine Weile, um wieder in die Geschichte einzusteigen - Erinnerungen an Band 1 mussten erst wieder geweckt werden und die neuen Charaktere eingeordnet. Mir hätte es besser gefallen, wenn es eine kleine Erläuterung von Frances´ neuem Leben, Bekannten und Plänen gegeben hätte. Über Henrys Erlebnisse hingegen erfährt man einiges in der Novelle "Meilenstein", die ich glücklicherweise vor Beginn des Buches gelesen habe. Mit dem Gespräch bei Dempster nimmt die Geschichte dann doch an Fahrt an, große Veränderungen und Ziele, ein (für Frances) unverhofftes Wiedersehen, Verrat, Liebe, Gefahr...
»Ich glitt langsam auf die Knie. All meine Energie war von
mir gewichen. Die Sterne am Himmel leuchteten immer heller, und ich legte mich
auf die Planken und blickte nach oben. Für so einen Stern, dachte ich, sind all
diese menschlichen Gefühle nur unbedeutende Sandkörner. Für mich waren es
riesige Klumpen, die mich niederdrückten. Aber ich musste nun versuchen, sie
auch als Sandkörner zu betrachten.«
Der Schreibstil ist angenehm zu lesen, oft voller Wahrheiten und passt zudem zu Zeit und Ort der Handlung, wenngleich die Geschichte für mich mehr erzählt, denn erlebt wurde. So geschickt der Spannungsbogen auch aufgebaut wurde, sosehr es mich auch interessierte, was als nächstes geschehen würde und so überraschend die Auflösung für mich am Ende war - emotional konnte mich die Handlung (noch?) nicht mitreißen. Nicht, dass mir Frances, Henry und die anderen Charaktere egal gewesen wäre, aber ihre Emotionen haben mich nicht ergreifen können. Ich bin dennoch zuversichtlich, dass das noch geschieht! Insbesondere, wenn die Liebesgeschichte im nächsten Band an Tiefe und gegenseitigem Vertrauen gewinnen sollte.
Wie auch im ersten Band gelingen Nicole Chisholm die Beschreibungen von Orte und Personen. Ich hätte mir allerdings mehr historische Ereignisse erhofft, eingeflochten in die Geschichte - wie es zur Vorherrschaft der Portugiesen im Indischen Ozean kam, welche politischen Großereignisse 1812 auch zu Frances vordringen könnten, wissenschaftliche und Technologische Neuerungen... Vielleicht stehe ich damit alleine da, aber für mich sollten historische Romane unterhaltsamere Geschichtsbücher sein, aus denen ich Wissen mitnehmen kann.
»Ich eckte überall an, stieß mich an Widerständen und
Menschen, die sich mir querstellten oder mich enttäuschten. Und doch wurde mir
in diesem Moment klar, dass vielleicht ich diejenige mit den Ecken war und
nicht die Welt.«
Das Ende des Buches schafft eine Steilvorlage für weitere Seereisen, Erkundungen neuer Landstriche und Hochspannung - ich freue mich auf das nächste Abenteuer von Frances und Henry, die beide zu starken Charakteren herangewachsen sind, die dem Anpassungsdruck der Gesellschaft trotzen und eine angenehme Abwechslung zum Einheitshelden vieler Jugend- und Fantasybücher darstellen!
... noch ein paar Worte zu Gestaltung und Titel:
... noch ein paar Worte zu Gestaltung und Titel:
[4/5] Passend zum ersten Cover und mindestens genauso schön - und ich liebe dieses kleine Schiff oben in der Mitte *-* Außerdem mag ich, wie ungewöhnlich das Cover ist - Paisleymuster und Scherenschnitt sind momentan nicht unbedingt im Trend, was dieses Buch für mich zum Hingucker macht. Der Titel klingt verheißungsvoll, passt perfekt zur Handlung und enttäuscht die Erwartungen auf eine abenteuerliche Reise und verzweifeltes Suchen nicht - auch wenn dann alles anders kommt, als gedacht.
VIELEN DANK AN NICOLE CHISHOLM FÜR DAS REZENSIONSEXEMPLAR
Eine taffe Frau auf der Reise zu Glück, Selbstbestimmung und Liebe - mit einer Prise Abenteuer und Piraterie, heldenhaftem Mut und starkem Wille. Wer Charaktere mit Ecken und Kanten, die ihre Schwächen und Fehler zugeben können, schätzt, ist hier goldrichtig.
überraschend ~ mutig ~ abenteuerlich
Nach dem Lesen und während des Rezensieren habe ich mir den Kopf zerbrochen - einer meiner Kritikpunkte ist ja, dass mich die Geschichte zwar in dem Sinne fesseln konnte, als dass ich wissen wollte, wie es weitergeht und vom Twist überrascht wurde, ich aber gleichzeitig nicht emotional mitfieberte, mich die Empfindungen trotz gelungener Beschreibungen nicht berühren konnten... Nur woran lag das? Schreibstil? Erzählweise? An den Charakteren?
Show, not tell - was ist für euch das Geheimnis in Schreibstil und Handlung, dass ein Buch euch berühren, ergreifen und mitreißen kann und euch nicht "nur" eine spannende Geschichte erzählt?
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