Montag, 30. September 2019

{Rezension} Melmoth ~ Sarah Perry

Rezension Melmoth Sarah Perry eichborn Verlag Lübbe
Melmoth || Sarah Perry || eichborn || Roman || HC || 332 Seiten || 1/1

Helen Franklins Leben nimmt eine jähe Wende, als sie in Prag auf ein seltsames Manuskript stößt. Es handelt von Melmoth – einer mysteriösen Frau in Schwarz, der Legende nach dazu verdammt, auf ewig über die Erde zu wandeln. Helen findet immer neue Hinweise auf Melmoth in geheimnisvollen Briefen und Tagebüchern – und sie fühlt sich gleichzeitig verfolgt. Liegt die Antwort, ob es Melmoth wirklich gibt, in Helens eigener Vergangenheit?


Mehr noch als der geheimnisvolle Klappentext reizte mich bei diesem Buch das unheilverheißende und zugleich wunderschöne Cover - doch hielt die Geschichte ihren Versprechungen stand?

Schwer zu beantworten! Die Autorin beherrscht ihr Schreibhandwerk meisterlich - fast schon prosaisch spricht sie den Leser direkt an.

»Schauen Sie! Es ist Winter in Prag; die Nacht erhebt sich über die Mutter aller Städte und hüllt ihre hundert Türme ein. Sehen Sie die Dunkelheit zu Ihren Füßen; wie weicher, schwarzer Staub breitet sie sich in den Straßen und Gassen aus. Sehen Sie die zwölf Apostel auf der alten Karlsbrücke, und die viel blauäugigen Dohlen auf den Schultern des Johannes von Nepomuk.«

Mit diesem Worten beginnt das Buch mit all´ seinen atmosphärischen Beschreibungen des winterlichen Prags und der anderen Handlungsorte sowie ganz viel Melancholie, Düsternis und Hoffnungslosigkeit.

Zu viel. Dieses Buch ist für mich eines jener, das ich unzufrieden zuklappe. Nicht wegen des Endes, das fand ich ganz charmant, sondern wegen der Stimmung. Dieses Düstere, Depressive, Demotivierende... Beim Beenden des Buches war ich so ausgelaugt und leer, war zu nichts motiviert, nicht mal zu einem Verriss. Ich mag durchaus auch traurige Bücher, die mich zu Tränen rühren oder unerwartet doch zu einem herzerwärmenden Ende führen. Melmoth jedoch ist von der ersten Seite an von einer hoffnungslosen Einsamkeit geprägt, welches jedes Zeugnis, jedes Schicksal, verbindet, mit der ich nicht zurechtfand.

»Wir sind ganz allein, deswegen müssen wir tun, was Melmoth tun würde: Wir müssen hinsehen und bezeugen, was nicht in Vergessenheit geraten darf.«

Zudem waren mir auch die Be- und Umschreibungen, so atmosphäreschaffend sie auch waren, zu ausufernd. An sich besteht die "Handlung" lediglich aus Zeugnissen verschiedenster Art, lose durch Helen, Thea und Karel verbunden. Auch wenn ich an den "Sünden" der Einzelnen interessiert war, fehlte mir doch der größere Spannungsbogen.

Während mich die ganze Bibel- und Sündenmotivik nicht überzeugen konnte und mir - abermals - einfach zu viel war, fand ich charmant, dass in diesem Buch Frauen die einzig Handelnden sind. Männer kommen vor, sind jedoch unbedeutend - selbst Gott oder Jesus sind für den Rahmen der Geschichte zwar durchaus relevant, bleiben aber hinter Frauen wie Helen, Thea, Adaya und Melmoth passiv und blass. Gefällt mir!

»Sie wispert und gurrt und kennt die Namen aller Menschen. Sie folgt dir durch die Straßen und dunkle Gassen, oder sie kommt in der Nacht und setzt sich auf deine Bettkante. Kannst du es dir vorstellen, spürst du, wie die Matratze sich absenkt und die Decke verrutscht? Wenn sie dich ansieht, ist es, als hätte sie dich dein Leben lang beobachtet. Als wären ihr nicht nur deine Taten bekannt, sondern auch deine Gedanken, jedes beschämende Geheimnis, jede stillschweigend verübte Grausamkeit...«

Dieses Buch ist definitiv einzigartiges - sowohl die Beschäftigung mit Melmoth, einem biblischen Charakter, von dem ich zuvor noch die gelesen habe, deren Figur aber höchst faszinierend ist, als auch vom Schreib- und Erzählstil her; unterbrechen doch die einzelnen Zeugnisse, Briefe, Manuskripte und Beichten die Rahmenhandlung im heutigen Prag immer wieder, während die Autorin das Geschehen um Helen, Thea und Karel als allwissende Erzählerin kommentiert und die Leser auf Schatten, zukünftige Ereignisse und Merkwürdigkeiten hinweist.


... noch ein paar Worte zu Gestaltung und Titel:
[5/5] In seiner bläulich-kühlen Schönheit hat mich das Cover bereits beim ersten Blick in den Bann geschlagen und die Metallikeffekte verleihen ihm zusätzlichen Reiz. Auch der Titel fasziniert, konnte ich doch nichts mit diesem Wort Melmoth anfangen.


Melmoth Melmotte Bibel Jesus Leid Sünden Einsamkeit
VIELEN DANK AN LÜBBE FÜR DAS REZENSIONSEXEMPLAR

Ungewöhnlich in Thema und Schreibstil - ich konnte jedoch mit diesem düster-deprimierenden Sündenmix aus Glaube, Verbrechen und Schuldgefühl im winterlichen Prag nicht warm werden. Gut möglich, dass ich auch mit "falschen" Erwartungen an das Buch rangegangen bin bzw. mich nicht darauf einlassen konnte.

ungewöhnlich ~ biblisch ~ kühl

Wart ihr schon mal in Prag? (Wie) Hat es euch gefallen? Ich habe nun schon häufiger Bücher aus dieser Stadt gelesen und auch meine Brieffreundin hat nur Positives erzählt, sodass ich jetzt richtig Lust habe, mal dorthin zu reisen...


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{mit einem Klick auf die Cover gelangt ihr zu den Rezensionen}
Amaias Lied - Höre den Zauber und du bist meinAnton hat kein Glück(Der) Duft der TräumeWashington Black

4 Kommentare:

  1. Huhu
    Schön,dass wir mal wieder ein Buch gemeinsam haben =) habe Melmoth heute auch rezensiert. Ich habe es zwar besser bewertet als du, so ganz mein Fall war es aber auch nicht, ich glaube ich hatte mir zu sehr ein klassisches Schauerrmärchen wie aus dem 19. Jahrhundert erhofft.

    Übrigens: Der biblische Kontext von Melmoth ist von Sarah Perry frei erfunden. Es werden zwar Zeuginnen in der Bibel erwähnt,aber ohne Namen und keine von ihnen leugnet was sie gesehen hat. Melmoth gibt es auch nicht in echt als Legende. Die Figur stammt von Charles Robert Maturin von 1820.

    LG Sandra

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    1. Ahoi Sandra,

      ja oder? In letzter Zeit ja (leider) nicht mehr so häufig...

      Ach siehste, hätte ich mich doch mal informieren sollen! Danke für den Hinweis, das Buch gucke ich mir mal genauer an (gerade gesehen, dass es sogar eine eBook Version mit einem Vorwort von Sarah Perry gibt!). Ich hatte irgendwie angenommen, dass es die biblische Dame tatsächlich gibt, weil im Buch ja immer alle die Legende kennen. Künstlerische Freiheit, soso...

      Liebe Grüße!

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  2. Ahoi!
    Ja, undheilvoll und düster die Umschreibung trifft diesen Roman um Melmoth absolut. Mir hat es auch sehr gefallen, dass hier die Frauen im Vordergrund der Geschichte agieren. - So wie Melmoth in Sarah Perry Adaption auch weiblich geworden ist im Gegensatz zu dem Werk von Maturin - Melmoth, the Wanderer.

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    1. Ja, das habe ich jetzt auch rausgefunden - und wieder: Gefällt mir! :D

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