Mittwoch, 21. September 2022

{Rezension} Mary ~ Anne Eekhout

Mary || Anne Eekhout|| btb Verlag || Roman || HC || 416 Seiten || 1/1

Im Jahre 1816 hat Mary Shelley, gerade einmal achtzehn Jahre alt, die Geschichte von Frankensteins Monster erschaffen, eine der außergewöhnlichsten, einflussreichsten und faszinierendsten Horrorgeschichten der Weltliteratur.

Es ist der Sommer, den Mary mit ihrem Geliebten Percy Shelley, ihrem neugeborenen Sohn William und ihrer Stiefschwester Claire bei Lord Byron und John Polidori am Genfer See verbringt. Draußen toben Gewitter, nachts sitzen die Freunde am Feuer, trinken mit Laudanum versetzten Wein und lesen sich Gespenstergeschichten vor. Als Lord Byron eines Abends vorschlägt, jeder solle selbst eine Gruselgeschichte schreiben, erinnert sich Mary an einen Sommer in Schottland, als sie und ihre Freundin Isabella den mysteriösen Mr. Booth kennenlernten, einen wesentlich älteren Mann voller Charme und düsteren Geheimnissen …


Bei Büchern um und zu Frankenstein, seinem Monster und deren Erschafferin Mary Shelley (sowie deren Mutter!) bin ich stets interessiert und diese Geschichte klang wahrlich vielversprechend...

Doch leider, das nehme ich jetzt einfach mal vorweg, konnte mich das Buch nicht überzeugen und zwischendurch habe ich oft überlegt, es einfach abzubrechen. Die Figuren blieben mir fern, aber vor allem die Handlung war es, die mich einfach nicht zu packen vermochte. Mit jedem Kapitel mehr dachte ich "ja und; passiert jetzt noch was?!" und nur aus der Hoffnung, da käme was, blieb ich dabei.

»Die Idee ist schon lange da. Es gibt sie schon seit Jahrhunderten, schon seit die Erde besteht, und noch immer geistert sie herum. Sie hat sie gesehen. Sie hat sie auserwählt. Aber die Zeit ist nicht reif, oder sie wagt nicht hinzuschauen. Denn wenn sie hinschaut, wird sie alles sehen müssen. Nicht nur die prachtvolle Wahrheit, verpackt in eine Erzählung, von Wundersamem vibrierend, jahrhundertealt, aber gerade erst geboren, sondern auch das Grau same, das Aufständige, das, was schreit und kreischt, dass sie die Augen öffnen soll. Und es ist alles wahr.«


Es gibt diese zwei Handlungsstränge: Den in Schottland, in dem sich Mary in Isabella verliebt, die beiden in Schauergeschichten und -gefühlen versinken und es viele Spaziergänge und Krankheiten gibt. Und an dessen Ende mir überhaupt nicht klar ist, ob und was Fiktion ist; all diese merkwürdigen Ereignisse und Eindrücke, gestohlene Momente und geteilte Erlebnisse... sind die (so) überhaupt passiert? Der andere Erzählstrang am Genfer See einige Jahre später ist von (Un)wetter, viel Wein und Laudanum geprägt. Offener Liebe, die Mary nicht will und nicht mit ihren Gefühlen vereinbaren kann. Vereinen tun beide Erzählstränge nur der Verlust von Mutter und Tochter - in merkwürdigen vorahnenden Blicken und rückblickenden, auf Situationen, die Mary so nie erlebt hat und haben kann. Sonst führen die beiden "Handlungen" nicht zusammen und nirgendwohin, denn letztlich, ja letztlich passiert einfach nichts. Am Ende des Buches hat Mary wohl mit dem Schreiben begonnen; das Wort Monster oder der Name Frankenstein fielen jedoch nie und ob und was aus Familie Baxter (und Isabella) wurde, wird auch nicht mehr aufgegriffen.

Der unheilvolle Schreibstil kündigt stets von kommendem Unglück und schrecklichen Ereignissen; die Worte bauschen sich und dann geschieht doch stets wieder nichts; der große Knall bleibt einfach aus. Skurrile Ereignisse reihen sich an Spaziergang und Wetterphänomen, viele Gedanken, Strudel aus Eindrücken und teilweise schon abstoßende Szenen; immer wieder was mit Schlangen und Monstern und doch auch nicht - müsste ich eine inhaltliche Zusammenfassung abgeben, könnte ich nur hilflos mit den Schultern zucken.

»Zwischen den Silhouetten der Bäume blitzt das Wetterleuchten manchmal sekundenlang auf, so dass die Welt wieder diese stille Fremdheit annimmt, als würde der Schleier der Wirklichkeit gelüftet und sie sähe für einen Moment, wie die Welt darunter ist: eine Welt, in der nichts vom Verstand auf Distanz gehalten werden kann; keine Erinnerung, keine Bedrohung, kein Geist.«


Ich habe lange mit mir gerungen, wie ich den Roman bewerten soll - der Schreibstil war so vielversprechend und ein Blick auf mein Buch zeigt, dass ich eine Menge Szenen und Sätze markiert habe, die ich eindrucksvoll fand. Aber was nützt der beste Erzählstil, wenn es nichts zu erzählen gibt? Wenn ich mich gelangweilt habe und regelrecht dazu aufraffen musste, wieder zum Buch zu greifen? 


... noch ein paar Worte zu Gestaltung und Titel:
[3/5] Auch wenn mir die farbliche Gestaltung zusagt, finde ich das Cover an sich aussagelos und den Titel äußerst ungünstig gewählt: Einfach nur Mary - das könnte jeder x-beliebige Roman, jede x-beliebige Frau sein und ist auch via Suchmaschine als Buch nur schwer auffindbar. Da hätte ein ausdrucksstarker Untertitel hergemusst!


VIELEN DANK AN RANDOMHOUSE FÜR DAS REZENSIONSEXEMPLAR

Fast schon verschwörerisch, wie eine Freundin einem vor dem Kamin ein Geheimnis anvertrauen würde, erzählt Anne Eekhout von Mary und enttäuscht trotz exzellenter Atmosphärenkreation, weil einfach nichts geschieht. Durchaus unheimliche Szenen, merkwürdige Ereignisse und Unwohlsein erregende Situationen reihen sich einfach einander; der große Knall bleibt aus.

atmosphärisch ~ langweilig ~ verworren

Welches Buch habt ihr zuletzt (fast) abgebrochen? Oder lest ihr Bücher stets "bis zum bitteren Ende"? Und habt ihr Frankenstein gelesen?


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4 Kommentare:

  1. Liebe Ronja

    Wie schade, dass dich das Buch nicht überzeugen konnte. Ich habe es mir auch schon vorgemerkt, weil mich die Geschichte interessiert. Aber wie du schon sagst: wenn es nichts zu erzählen gibt, nützt der Schreibstil nichts..

    Ich warte mal noch ein paar weitere Rezensionen ab und entscheide dann, was ich mache ;-)

    Alles Liebe an dich
    Livia

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    1. Ahoi liebe Livia,

      jaaaa, so schade; ich hatte wirklich Hoffnungen! Ich habe aber auch schon positive Rezensionen gelesen...

      Lass´ es mich wissen, falls du es doch liest & wie es dir dann gefällt :)

      LG Ronja

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  2. Ahoi Ronja! :)
    Nun hab ich gefunden, weshalb ich eigentlich hier stöbern war :D Ich konnte mich doch daran erinnern, deine gar nicht mal so positive Meinung bereits auf Instagram gelesen zu haben. Ich habe das Buch nun auch gelesen und ich kann dir tatsächlich in vielen Punkten zustimmen. Die Gedankengänge sind teilweise so verworren, dass ich mitunter selbst nicht mehr wusste, was ich denn jetzt nun gelesen habe, ob da was passiert ist oder eher nicht, oder ob die Leute nicht einfach die ganze Zeit unter ständigem Alkoholeinfluss standen. Aber dank des irgendwie unglaublich tollen Schreibstils hat mich das Buch dann in seiner Gesamtheit doch überzeugt, auch wenn im Grunde nichts passiert, oder nicht viel, und dann aber doch wieder, aber dann redet wieder keiner über irgendwas.
    Vielleicht faszinierte mich auch einfach dieses Knäul aus Fäden, das ich nicht so recht auseinanderziehen konnte, wer weiß. :D

    Liebste Grüße!
    Gabriela

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    1. Ahoi liebe Gabriela,

      haha, hab ich den Beitrag so gut versteckt? :D
      Knäuel aus Fäden - das trifft es wirklich richtig gut. Und hahahaha, vielleicht waren die halt wirklich alle dauerbetrunken und das Buch ist eigentlich nur die Erzählung des Rauschs :D Aber obwohl mir das alles so gar nicht zusagte - ich kann verstehen, dass die Stimmung und der Schreibstil das Buch für dich dann doch positiv(er) machen konnten ^^

      Sonnige Grüße von der Küste
      Ronja

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