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Mittwoch, 20. November 2019

{Rezension} Frankissstein ~ Jeanette Winterson

Rezension Frankissstein Eine Liebesgeschichte Jeanette Wintersen Kein & Aber
Frankissstein. Eine Liebesgeschichte| | Jeanette Winterson | | Kein & Aber | | 
Roman | | HC | | 400 Seiten | | 1/1

1816 schreibt Mary Shelley Frankenstein in den Schweizer Bergen. Zweihundert Jahre später, im heutigen Großbritannien, begegnen wir dem transgender Arzt Ry Shelley, der sich in Victor Stein, einen renommierten wie unergründlichen Experten für künstliche Intelligenz verliebt. Klug und mit unvergleichlichem Witz verbindet Winterson diese beiden Erzählstränge zu einer höchst originellen Geschichte, in der die Grenzen zwischen Fiktion und Wirklichkeit, zwischen menschlicher und künstlicher Intelligenz und zwischen biologischer und sexueller Identität verschwinden – eine Geschichte über die Liebe und das Menschsein selbst.


Frankenstein hatte ich damals im Englischunterricht als Schullektüre, von der Mutter der Autorin habe ich vor einer Weile "Eine Verteidigung der Rechte der Frauen" gelesen, das als der Beginn des Kampfes für Frauenrechte in Europa angesehen wird - als ich also dieses Buch in der Vorschau entdeckte, war ich begeistert. Mit hohen Erwartungen und Vorfreude begann ich dieses Buch - und wurde nicht enttäuscht, denn es ist...

Facettenreich & bunt

Dieses Buch schien nur darauf gewartet zu haben, jetzt von mir gelesen zu werden, so sehr knüpft es an vieles an, womit ich mich momentan beschäftige. Frauenrechte früher und heute, LGBTIQ, Karl Marx, Identität, Per Anhalter durch die Galaxie, KI, ewige Jugend*, Psychiatrie...

» Das Herz einer Frau. Was ist das? Der Geist einer Frau. Was ist das? Hat man uns im innersten Kern anders gemacht? Oder beruht Andersartigkeit nur auf Sitte und Macht?«

Definitiv ist dieses Buch nicht einfach irgendeine Geschichte, die man mal so eben liest, ist sie doch voller Denkimpulse und Material für weitere Überlegungen, Recherchen und Diskussionen!

Zersplittert & bruchstückhaft
Keine kohärente Geschichte, sondern viele Splitter und Fragmente, die lose durch Parallelen, das Frankenstein-Motiv und Zitate zusammengehalten werden. Ganz viel Unklarheit, gerade im offenen Ende, aber auch zwischendurch immer das Gefühl, nur Beobachterin zu sein, nicht Zuhörerin.

»Doch unser Wesen zappelt in unseren Körpern wie in einem Krug gefangenes Licht, und unsere Körper winden sich in dieser Welt wie ein Lasttier, das sich am Joch wund reibt, und die Welt selbst hängt allein in ihrer Schlinge, aufgeknüpft zwischen den gleichgültigen Sternen.«

Gleichzeitig alles stimmig; so muss es sein. Das Ende wie die losen Fäden. Denn es geht nicht wirklich um Ry und Viktor, Ron, Claire und Polly, oder auch um Mary Shelley und ihr Monster nicht - sondern um die abstrakten Konzepte dahinter. Die automatisierte Zukunft und was das für uns bedeutet. Freiheit? Rechteverlust? Ewiges Leben? Gefühlslosigkeit?

Wunderschön & voller Kanten
Gerade der Schreibstil macht dieses Buch zu der Ungewöhnlichkeit, das es ist - ohne starre Kapitelstruktur, sondern in Sinnabschnitten, mit Perspektivwechseln und Zeitsprüngen, verwebt die Autorin nicht nur Realität und Fiktion auf meisterhafte Weise, sondern auch poetische Schönheit und vulgär-derbe Sprache.

»...das Werden der Seele, nicht ihr Gehen, sollte unser Anliegen sein. Das Geheimnis des Lebens liegt auf der Erde, nicht anderswo.«

Ein Buch voller Kontraste - nüchterne Wissenschaft und emotionsgeladener Kraftausdruck, Biologie/Anatomie und Lyrik, Kunst und Natur... Und wie bei einem Kaleidoskop gehören alle diese kantigen Bruchstücke doch zusammen, formen ein wunderschönes Ganzes. Je nach Blickwinkel, sieht jede*r etwas anderes und doch auch immer das Gleiche.

Auf dieses Buch muss mensch sich einlassen (können) - es ist kein Fernrohr und keine Glasscheibe, sondern ein Kaleidoskop. Die Autorin zeichnet kein klares Bild der Zukunft, ja nicht mal der Gegenwart und erlaubt auch keinen unverzerrten Blick auf die Vergangenheit. Stattdessen verwirrende Fragmente voller Schönheit und Kanten. Ich glaube, dieses Buch gehört zu jenen, die mensch entweder liebt oder hasst.

»Wir sind die Gestalter unseres Schicksals. Ich mag keine Erfinderin von Maschinen sein, aber ich bin die Erfinderin von Träumen.«

Nachdem ich mich über die Autorin und ihre anderen Bücher belesen habe, wurde mir klar, woher diese verrückte Verschmelzung von christlichem Glaube, futuristischer Wissenschaft und (sexueller) Selbstbestimmung kommt. Und ja, im Untertitel nennt sich das Buch "Eine Liebesgeschichte". Das ist das Buch und doch auch nicht (nur) - Dystopie und erschreckender Gegenwartsroman, gesellschaftskritisch und dann wieder "nur"Liebesgeschichte. Lest es einfach selbst ;)
*Darüber hatte ich vor Kurzem eine interessante Doku im TV gesehen - gibt man alten Mäusen Blut von jungen, verhalten sich ihre Zellen wie junge Zellen; der Alterungsprozess verlangsamt oder gar gestoppt.


... noch ein paar Worte zu Gestaltung und Titel:
[4/5] Das Cover ist schlicht, aber in seiner Nüchternheit doch schön. Die zersplitterten Buchstaben passen hervorragend zur facettenreichen Geschichte; das Format ist großartig, weil das Buch perfekt in der Hand liegt. Lesebändchen und angenehme Schriftgröße. Nur schade, dass der Einband nicht auch zartviolett ist ^^


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VIELEN DANK AN KEIN & ABER FÜR DAS REZENSIONSEXEMPLAR

Ein Buch wie ein Kaleidoskop: Facettenreich und bunt, kleinteilig und doch ein wunderschönes Gesamtbild formend. Frankenstein meets KI - wenn Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft verschmelzen... Ich bin begeistert und geflashed von diesem Spiel mit Realität und Fiktion, Grenzen des Tu- und Denkbaren - definitiv nicht mein letztes Buch der Autorin!

 
unkonventionell ~ opulent ~ verworren

Habt ihr Frankenstein gelesen? Interessiert ihr euch für künstliche Intelligenz? Fallen euch spontan Bücher ein, in denen Transmenschen vorkommen oder die Hauptrolle einnehmen? Und habt ihr den Film "Mary Shelley" schon geguckt? Der war ja im letzten Jahr im Kino...


 Ähnliche Bücher in meiner Schatztruhe:
{mit einem Klick auf die Cover gelangt ihr zu den Rezensionen}
Darkmere Summer Drei auf Reisen Eine Odyssee Eve & Adam Nineteen Eighty- Four

2 Landgänge

  1. Hallo Ronja

    Ich habe erst dieses Jahr zum ersten Mal Frankenstein als Hörbuch gehört und mir hat dieser Klassiker sehr gut gefallen. Ich finde es mutig, die Geschichte zu modernisieren und etwas ganz eigenes daraus zu machen. Ich bin so ein bisschen hin und hergerissen, wenn ich die Inhaltsangabe lese. Einerseits bin ich ein bisschen neugierig, was die Autorin aus der Idee gemacht hat, auf der anderen Seite bin ich etwas skeptisch, ob mir diese Neuinterpretation gefallen könnte. Schön, dass dich das Buch überzeugen konnte. Ich werde es mal im Hinterkopf behalten.

    Liebe Grüsse
    Mel

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    1. Ahoi Mel,

      also es ist an sich nicht wirklich eine Neuinterpretation, sondern eher ein Spiel mit der Geschichte, ein Weiterspinnen. Dafür ist es hilfreich, Frankenstein zu kennen und auch etwas über die Autorin zu wissen, einfach für die Kontextualisierung, aber man kann sich auch so einfach auf die Geschichte einlassen, ohne die Anspielungen zu sehen.

      Ich kann es wirklich nur empfehlen! Den Schreibstil muss man aber mögen.

      Schönen 2. Advent!

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