Freitag, 3. November 2023

{Rezension} Girl, Goddess, Queen: Mein Name ist Persephone ~ Bea Fitzgerald

Girl, Goddess, Queen || Bea Fitzgerald || cbj Verlag || Jugendbuch || eBook || 496 Seiten || 1/1

Persephone wurde nicht geraubt, sie ist in die Unterwelt geflohen. Dort hat weder ihr Vater Zeus noch ihre Mutter Demeter Macht über sie. Um keinen Preis will sie an irgendeinen Gott verheiratet werden, der sich selbst mehr liebt als sie. Jetzt muss sie den abweisenden und unerwartet attraktiven Hades davon überzeugen, mit ihr gemeinsames Spiel zu machen. Persephone hat einen Plan, der den Olymp bis ins Mark erschüttern wird…


Das Erscheinen dieses Buches war an mir völlig vorbeigegangen; nur durch Zufall entdeckte ich Mandys begeisterte Rezension und wusste: Das will ich auch lesen!

Und mein Gespür trübte mich nicht - Bea Fitzgeralds Interpretation von Hades und Persephone holte mich von der ersten Seite an ab. Und zwar literally von der ersten - mir gefiel das "Vorwort" ausgesprochen. Zu wissen, welchen potentiellen Inhalt ich (nicht) zu erwarten hatte, kreierte für mich ein angenehmes Leseklima.

Und wow, die Figuren. Ich liebe, wie sehr sich Persephone (und Hades) im Laufe des Buches weiterentwickelten; wie viel Wachstum da zu sehen war. Auch die Beziehung der Beiden zueinander ist davon geprägt und ich bin begeistert über das Level an Kommunikation - in Jugendbüchern läuft die Entwicklung zum Paar ja häufig non-verbal und in Sprüngen ab. Und ganz viel unangenehme Missverständnisse. Persephone und Hades hingegen sprechen viel miteinander und lernen, ihre Bedürfnisse zu formulieren und rücksichtsvoll miteinander zu sein. Keine unnötige Misskommunikation, die das Buch nur in die Länge zieht und Augenrollen auslöst, sondern Gespräche und Rückfragen. Das feiere ich - schade eigentlich, dass es mir auffiel; das sollte im echten Leben wie in Büchern immer so sein...

»Eins nach dem anderen.« Hades kommt zu mir zum Spiegel. »Wir gehen das gemeinsam an.« »Nein, tun wir nicht. Es ist anders für mich und das weißt du.« »Gut, dann halte ich deine Blumen, während du die Welt auseinandernimmst. [...] Konzentrieren wir uns erst einmal darauf, dich auf den Thron zu kriegen, ja? Danach kannst du die Hölle lostreten.«


Und auch die Handlung an sich überzeugte mich - gerade weil nicht von einer Actionszene zur nächsten gehetzt wird, sondern Zeit für alltägliche Ratssitzungen, Feiern mit Freunden und Erkundungstouren ist. Dadurch hatte ich das Gefühl, die Unterwelt und Persephone kennenzulernen und bei der langsamen Rache mitzuwirken. Denn die Wut über die unfaire patriarchale Welt und der Wunsch, sie besser zu machen, treibt Persephone kontinuierlich an - ich habe es geliebt, ihr auf diesem Weg zu folgen. Spannend fand ich auch das Mutter-Tochter-Verhältnis, das nicht auf Verurteilung heruntergebrochen wird, sondern in seiner Komplexheit bestehen darf. Außerdem bin ich begeistert über die Frauenfreundschaften und wie Hades´ Bisexualität nur eine Randnotiz ist. 

Die Narrativumkehr zieht Bea Fitzgerald zudem konsequent durch - Hades hat Persephone nicht geraubt; sie ist zu ihm gekommen. Nicht sie nimmt seinen Antrag an, sondern er ihren. Sie krönt sich zur Königin; nicht sie wird gekrönt. Viele Details und gleichzeitig ausdrucksstarke Szenen. Ich liebs.

»Und es ist total niedlich, aber ich fühle mich sehr viel wohler, wenn wir uns gegenseitig beschimpfen, um uns unsere Zuneigung zu zeigen. « »Das kommt, weil du nicht weißt, wie du mit Zuneigung umgehen sollst. « »Und du schon? « »Nein, überhaupt nicht. Du lachst drüber und ich verleugne sie, und zusammen sind wir wunderbar dysfunktional verliebt.«


Feminismus, Mythologie, ganz viel Humor und eine Prise Liebe - was für eine grandiose Kombination! Ich hatte viel Spaß und flog durch die Seiten, denn Bea Fitzgeralds Schreibstil liest sich wunderbar. Ich liebe die Schlagabtäusche zwischen Persephone und Hades und das Knistern zwischen den Beiden. Zudem gab es etliche Momente, in denen ich mich hervorragend mit Persephone identifizieren konnte und ihr oder der Autorin für gelungene Momente, Aussagen und Szenen applaudieren wollte. Ich feiere die Botschaften des Buches an junge Leser*innen - consent is sexy, Feminismus geht auch Männer was an, weil das Patriarchat tatsächlich auch sie einschränkt, Liebe ist schön, aber nicht das einzige Lebensziel und "vollständig" bist du allein schon, dafür brauchst du niemanden. 💥

»Also«, sagt sie. »Rein hypothetisch: Was würde mit dir geschehen, wenn er jemand anderen findet?« Ich... Ich zwinge mich, ernsthaft darüber nachzudenken-hypothetisch. Und mir wird klar, dass es okay wäre. Ich würde vielleicht ausziehen, mir in der Unterwelt ein neues Zuhause suchen. Denn dieses Land ist mein, ob mit oder ohne ihn. Es würde mir das Herz brechen, aber ich würde weitermachen. Ich würde mich mit meinen Freundinnen treffen. Ich würde mich auch ohne ihn geliebt fühlen. Wenn ich ihn bräuchte, wenn das Leben, das ich liebe, wirklich von ihm abhinge, dann könnte ich ihn nicht so bedenkenlos und ohne zu zögern, lieben - mit der Freiheit, mit der ich es endlich tue. »Ich habe Macht, und die Götter dieser Welt respektieren mich«, sage ich. »Ich wäre am Boden zerstört, aber ich würde überleben.«


Wohlfühlfantasy; der Begriff schwebte nach Beenden des Buches in meinem Kopf herum - genau das will ich künftig lesen. Denn auch wenn ich mittlerweile deutlich weniger Fantasy lese als früher, mag ich das Genre noch immer. Aber ich will keine toxischen Liebesbeziehungen mit problematischem Verhalten. Ich will keine Gewalt (gegen Frauen) nur um zu schocken bzw. ich will allgemein wissen, was ich (nicht) erwarten kann. Ich will starke Frauen, die Gefühle haben dürfen, lieben dürfen - und trotzdem selbstständig bleiben. Die nicht vollkommen in einer Beziehung aufgehen, sondern sie kontinuierlich prüfen und reifen. Ich will Frauenfreundschaften. Und all das bot mir Girl, Goddess, Queen - ich konnte die Liebesgeschichte genießen, weil sie realistisch und respektvoll war und gleichzeitig die eigentliche Handlung nicht überschrieb. 


... noch ein paar Worte zu Gestaltung und Titel:
[4/5] Das Cover mag einer der Gründe gewesen sein, weshalb mir das Buch nicht früher aufgefallen ist - es ist peppig und jung, verrät aber den Mythologiebezug nicht. Den Titel finde ich klasse - sowohl den englischen als auch den deutschen Untertitel; passt er doch hervorragend zum Inhalt und ich kann Persephones eisige Stimme förmlich hören, wie sie das Menschen entgegenschleudert.


VIELEN DANK AN RANDOMHOUSE FÜR DAS REZENSIONSEXEMPLAR

Die Art von Jugendbuch, von der es mehr geben muss - inhaltlich überzeugend, spaßig zu lesen und mit gesunden Darstellungen von Liebe, Freundschaft und Auseinandersetzung mit eigenen Gefühlen und Zielen.

feministisch ~ humorvoll ~ respektvoll

Habt ihr von diesem Buch bisher mitbekommen? Spricht es euch an? Hier findet ihr übrigens ein interessantes Interview mit der Autorin - inklusive der Ankündigung einer weiteren Mythologieadaption 😍 Und hier meine Übersicht (feministischer) retellings.


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{mit einem Klick auf die Cover gelangt ihr zu den Rezensionen}

4 Kommentare:

  1. Das hört sich gut an, das Buch ist bisher auch total an mir vorbei gegangen. Da ich griechische Mythologie gerne mag, werde ich bestimmt mal reinlesen! :)

    LG Alica

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    1. Ahoi Alica,

      mach das unbedingt, es ist fantastisch!

      LG Ronja

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  2. Huhu liebe Ronja,
    wegen des Covers habe ich das Buch bisher nicht "ernst" genommen. Aber deine Rezi ... doch evtl. WuLi-Potential? *grübel
    LieGrü
    Elena

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    1. Ahoi Elena,

      ja, ich find das Cover auch total ungünstig; mich hat das auch abgeschreckt. Zumal Persephone echt kein pink girl ist - ich würde sogar wetten, dass es im Antiken Griechenland die Farbe nicht mal GAB xD Lies es, es ist klasse :D

      LG Ronja

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