Witches, Bitches, It-Girls: Wie patriarchale Mythen uns bis heute prägen || Rebekka Endler || rowohlt Verlag || Sachbuch || eBook || 464 Seiten || 1/1
Witches, Bitches, It-Girls ist eine anekdotische Spurensuche, die durch die lange Menschheitsgeschichte führt. Rebekka Endler blickt dabei in den Maschinenraum des Patriarchats, beschäftigt sich mit der Kanonisierung in der Kunst, mit der Epoche der Romantik, mit der sogenannten Normalität und mit feministischen Wellen, mit Cancel-Culture und Transfeindlichkeit – und fragt: Was bringt so viele Frauen heute noch dazu, von einem rettenden Märchenprinzen zu träumen? Warum werben sogenannte Tradwives für ein Leben als Hausfrau und Mutter? Was steckt hinter der Mommy-Blogger-Welle, und welche Funktion haben Frauenbilder wie Witches, Bitches und It-Girls? Humorvoll, schlagfertig und kämpferisch zeigt Rebekka Endler, wie wir alle das Patriarchat Tag für Tag am Laufen halten – und wie wir es dennoch verändern können, wenn wir das System dahinter verstehen und angreifen.

Bei feministischen (Sach-)Büchern bin ich immer am Start - und da ich Das Patriarchat der Dinge geliebt habe war ich voller Vorfreude auf Endlers neues Werk.
Leider setzte schon schnell Ernüchterung ein: Mir fehlte der rote Faden, denn ja, dieses Buch ist anekdotisch. Da ich schon viel über Feminismus, Patriarchat und Kapitalismus gelesen habe, waren mir die Kernaussagen nicht neu, auch wenn die einzelnen Beispiele, Menschen und Ereignisse mir oftmals nicht bekannt waren und auf Internet-Sidequests schickten.
»[...] was gerade passiert, ist altbekannt, denn das Patriarchat und sein Bruder im Geiste, der rechtskonservative Nationalismus, setzen in ihrer Selbsterzählung immer auf die gleichen giftigen Zutaten: ein biologistisches Geschlechterverständnis, rassistische Überlegenheits-ansprüche (beides einhergehend mit der gewaltvollen Unsichtbarmachung ganzer Personengruppen!) und eine Nostalgie für eine Vergangenheit, die es so nie gegeben hat.«
Ich hätte mir jedoch eine klarere Struktur gewünscht; gefühlt hat sich die Autorin hier die (berechtigte!) Wut und Enttäuschung vom Leib geschrieben - für einen Essay dieser Art ist das Buch aber zu umfangreich und was mich auch irritierte, waren die Fußnoten. Die schiere Menge und dass zwei Systeme verwendet wurden, tendenziell aber bei beiden Text (oftmals auch ausgesprochen interessante Anmerkungen!) war; ich also immer hin- und herspringen musste und manchmal lediglich Quellenangaben vorfand und andere Male einen längeren Einschub. Das machte das Lesen anstrengend und nervte mich oftmals.
»[...] der male gaze und die Objektifizierung des weiblichen Körpers zwar zeitgenössische Begriffe sein mögen, doch das Prinzip dahinter existiert schon lange, und auch die erotische Ästhetisierung der toten Frau begleitet uns in Kunst und Kultur bis heute.«
Gefühlt wurde hier zu viel gewollt - große gesellschaftliche Analysen, detaillierte Einzelfälle, persönliche Anmerkungen, Kritik am Status Quo und zaghafte Utopie. Und während ich jeden Aspekt einzeln interessant fand und natürlich voller Zustimmung bin, war mir der Mix zu konfus und sprunghaft.
»Rechts sitzt das Geld dank Kolonialismus, Weltkriegen und unethischem Kapitalismus nun mal wesentlich lockerer als links!«
Don't get me wrong - das klingt jetzt ausgesprochen negativ, dabei ist das Buch ausgesprochen gut recherchiert, inhaltlich und in den Aussagen stark (ich hätte ganz oft laut JA! rufen können) und zugleich im Tonfall dennoch humorvoll - da gibt es ja ganz andere Sachbücher, die viel zu kompliziert und akademisch geschrieben sind. Ich habe mir auch viele Lesezeichen gesetzt und Aussagen markiert, insbesondere bei ihren Ausführungen zu "Normalität" und Spaltungen im Feminismus und hatte auch einige aha!-Momente - das Buch ist also durchaus lesens- und lohnenswert. Nach Das Patriarchat der Dinge, das ein klares Thema, ein Leitmotiv hatte, war mir Witches, Bitches, It-Girls einfach zu ausschweifend. Ja, es könnte im Prinzip Das Patriarchat der Erzählungen heißen, springt aber zwischen Ereignissen, Ideen und Zeiten wild hin und her.
... noch ein paar Worte zu Gestaltung und Titel:
[3/5] Ich bin gar nicht so begeistert vom Cover, mag aber, dass die Autorin es erklärt bzw. auf die Geschichte hinter dem Porträt eingeht. Der Titel hingegen ist großartig.
VIELEN DANK AN NETGALLEY FÜR DAS REZENSIONSEXEMPLAR
Ein buntes Sammelsurium, in dem mir der rote Faden fehlte, inhaltlich aber viel zu bieten hatte und zu eigener Recherche und Diskussionen anregt.

annekdotisch ~ feministisch ~ humorvoll

Wie steht ihr zu Fußnoten? Ich mag sie prinzipiell bzw. sehe ihren Mehrwert; Quellen und Kommentare sollte für mich aber getrennt sein, also zum Beispiel die Anmerkungen in der Fußzeile und die Belege dann numerisch am Ende des Buches. Wildes Geblätter kann ich nicht leiden.
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