Freitag, 29. März 2024

{Rezensionen} Männer töten & Bible Bad Ass

Ahoi! Männer töten und Bible Bad Ass gehören zu den ersten Büchern, die ich dieses Jahr gelesen habe und spiegeln meinen Entschluss des letzten Jahres wieder, weniger Dystopien und mehr Utopien zu lesen; meine Unlust an fiktiver und unkommentierter Gewalt (gegen Frauen). Beide Bücher kamen also wie gerufen und klangen vielversprechend. Doch leider konnte mich weder das eine noch das andere Buch vom Hocker reißen; hatte ich doch von beiden Büchern mehr oder schlicht etwas anderes erwartet - aber der Reihe nach.


Männer töten || Eva Reisinger || leykam: Verlag || Roman || eBook || 288 Seiten || 1/1

Männer töten holte mich schon beim genial doppeldeutigen Titel ab. Ja, Männer töten. Und dann der Imperativ. Männer töten! Das Buch versprach ein Dorf, in dem es Gewalt an und gegen Frauen nicht mehr gibt. Was der Autorin trotz dieses utopischen Ansatzes von Anfang an gelingt: Der Jetzt-Bezug; die aktuelle Lebensrealität einzufangen – es gibt Bücher, die könnten im Setting und Handlungszeitraum problemlos verschoben werden; nicht so Männer töten. Es ist in der heutigen Zeit verankert und greift von Feminizidrate und medialer Berichterstattung alles auf.

»Die Statistik schwebt über ihr und erinnert sie daran, dass es ihr irgendwann passieren könnte. Schließlich erlebt jede dritte Frau mindestens einen körperlichen und oder sexuellen Übergriff in ihrem Leben.« 


Störte ich mich am Anfang noch daran, dass trotz der deutlichen Anprangerung des patriarchalen Systems und der ihr inhärenten Gewalt bei persönlichen Schicksalen dann nicht klar genug formuliert wird – „es geschah ihr“ statt „das tat er (ihr an)“, fand im Laufe des Buches eine Entwicklung statt; Anna Maria lernt, klar zu benennen. Das ist deshalb so wichtig, weil Sprache unsere Lebensrealität prägt und formt – gerade bei Vergewaltigungen liegt der Fokus viel zu stark auf dem Opfer und was diese Person „falsch“ getan hat oder wie sie sich hätte anders verhalten sollen. Und ja, das Buch ist wütend. Es lebt aber auch von einer wunderbaren weiblichen Solidarität. 

Als Nicht-Österreicherin bin ich über einige Begriffe und Formulierungen gestolpert und musste bisweilen zweifach lesen – ansonsten hat Eva Reisinger einen angenehm lockerflockigen Schreibstil, der mich durch die Seiten trug. So leicht sich die Geschichte durch den Schreibstil jedoch lesen ließ – die fehlenden Orts- und Zeitangaben erschwerten das Folgen bei den Perspektivwechseln und verwirrten mich oft. Was auch schon zu meinem größten Kritikpunkt führt: Das Ende. Bitte was?! Ich habe nicht verstanden, was da auf den letzten Seiten passiert ist; wann der Epilog spielt, wer noch lebt und bin enttäuscht, dass eine ausgesprochen vielversprechende Geschichte so abgewürgt wurde.

»Manche Menschen sind schwer zu ertragen, wenn sie sprechen. Die wirklich schlimme Sorte Menschen ist nicht einmal still zu ertragen, weil man weiß, dass noch etwas kommen wird.«


Ein weiterer Kritikpunkt am Rande: Mich störte der hohe und häufige Alkohol- (und Drogen-) Konsum; ich finde es mindestens bedenklich, wenn der normalisiert wird – auch wenn das beim Alkohol durchaus gesellschaftliche Realität ist.

feministisch ~ wütend ~ aufwühlend

Ich feiere den Ansatz, der erschreckenden Realität von Femiziden und Gewalt gegen Frauen eine feministische Utopie entgegenzustellen; das Thema literarisch aufzugreifen und zu verarbeiten. Eva Reisinger ist auch ein interessantes Gedankenspiel gelungen, dessen Potential jedoch nicht ausgenutzt bzw. durch ein verwirrendes Ende verschleudert wird.

 
Bible Bad Ass || Edith Löhle || leykam: Verlag || Roman || eBook || 288 Seiten || 1/1

Ich bin Atheistin und nicht bibelfest – genau wie bei sonstiger Mythologie faszinieren mich aber feministische Neuinterpretationen und der Blick darauf, wer wen aus der Geschichte herausgeschrieben hat. Bible Bad Ass klang also vielversprechend und nach einem Buch, mit dem ich auf vergnügliche Art Neues über die Frauen im Christentum lernen könnte. 

Letzteres war durchaus der Fall; ersteres leider weniger. Abgesehen von der fehlerhaften Formatierung, die hoffentlich und vermutlich am Leseexemplar lag, mich aber trotzdem massiv störte, da ich vor und zurückblättern musste um den aktuellen Abschnitt fortzusetzen, haderte ich vor allem mit der Protagonistin. Anfangs war mir ihre permanent wütende und vorwurfsvolle Art zu viel, auch wenn ich sie nachvollziehen konnte. Ich rechnete jedoch mit einer charakterlichen Weiterentwicklung, die es auch gab – für mich jedoch nicht zum Besseren. Klara wurde zu einer seltsam religionsfixierten und esoterisch angehauchten Figur, deren verwirrtes Umfeld ich mehr verstand als sie. Ich verlor vollkommen den Draht zu Klara -  wenn sie mit der Heiligen Geistin in Taubengestalt kommunizierte, die Mondin anbetete und in allem, egal ob Zahl, Straßenname oder Nudelgericht eine tiefschürfende Bedeutung fand, war ich raus. Sie driftete vollkommen ab; am Ende fehlte jegliche Realitätsnähe und ich empfand sie als blauäugig und naiv. Das war nicht die empowernde Geschichte einer ihren Weg gehenden Frau, die ich mir erhofft und erwünscht hatte!

»Eine monogame Beziehung ist doch ein bisschen wie Tabu spielen. Man macht sich manchmal was vor, spricht in Rätseln und kämpft mal mit- und mal gegeneinander, man ärgert sich bunt und lacht sich schlapp. Im Großen und Ganzen macht das Theater Spaß.« 


Mal abgesehen von der abstrusen Rahmenhandlung – ich hatte auf eine überraschende, vielleicht sogar witzige oder zumindest schlüssige Erklärung der Handychats gerechnet. Kam nicht. Und die ganzen Lebensweisheiten wirkten so gewollt platziert, es wurde mit ständig erhobenem Zeigefinger gesprochen und die Kombination aus Kalendersprüchen und schwülstiger Sprache empfand ich als ausgesprochen unangenehm. 

Zu Gute halten muss und möchte ich dem Buch, dass all´ die Auswüchse und Auswirkungen des Patriarchats gnadenlos beleuchtet und konkret benannt werden; Autorin und Protagonistin nehmen kein Blatt vor den Mund. Inhaltlich absolute Zustimmung! Ich habe mir etliche Passagen markiert, bei denen ich nicken und laut "JA!" rufen wollte. Es ist ausgesprochen schade, dass die Botschaften, die vermittelt werden sollen, so zugespitzt und überspitzt formuliert wurden. Denn so richtig und wichtig sie sind, konnte ich doch mehrfach nicht anders, als mit den Augen zu rollen.

»Frausein bedeutet für so viele Menschen einfach nicht frei zu sein. Frei von Erwartung, frei von Zuschreibung, frei von Stigma.« 


Zudem wird eine intensive Recherche deutlich; ich konnte über die biblischen Figuren einiges lernen und fand die Neubetrachtung des Lebens und Wirkens der Frauen ausgesprochen interessant. Wie viele (biblische) Frauen aus der Geschichte herausgeschrieben wurden, ihre Rolle kleingeredet und ihr Ruf ruiniert wurde, ist nicht nur empörend - es erklärt auch das heutige Verständnis.

wütend ~ hochtrabend ~ biblisch

Schade, eine vielversprechende Idee, die jedoch ins Spirituelle und Religiöse abdriftet, den Realitätsbezug verlor, unangenehm pathetisch wurde und der die sympathische Hauptfigur fehlte.


Auf der Buchmesse konnte ich beide Bücher in echt bestaunen und sie sind einfach sooo schön! Die Goldfolie bei ersterem, farbiger Schnitt und Einsatzpapier bei zweiterem... so schade, dass beide inhaltlich nicht mit ihrer Optik mithalten 😐 Welche Bücher haben euch zuletzt enttäuscht?


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2 Kommentare:

  1. Ahoi Ronja

    Ganz klasse Besprechung von dir. Du hast dich anders ausgedrückt, aber ich denke wir zwei sind uns einig.

    Liebe Grüße und Danke für deinen Besuch. Frohe Ostern, Gisela von Giselas Lesehimmel

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    1. Das sind wir auf jeden Fall!
      Dir auch ein schönes Osterwochenende, liebe Gisela :)

      LG Ronja

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