Sonntag, 22. September 2024

{ZzS} #94: Der Leuchtturm ~ Jean-Pierre Abraham

Der Leuchtturm || Jean-Pierre Abraham || Jung und Jung Verlag || Erzählung || 3/5 Anker

Ahoi! Ich bin mittlerweile zurück von See und im Unialltag wieder angekommen... im Herzen aber noch nicht so ganz - daher erstmal ein paar Zitate voller Meeresliebe; die ➽ Rezension ➽ zu "Der Leuchtturm" gab´s ja bereits im Februar. Demnächst dann Bericht meines (Segel-)Sommers, buchige Rückblicke und auch wieder Rezensionen, also stay tuned 😉




Ohne mir bewusst zu sein, bin ich in die stumpfen Seelen alter Seemänner vorgedrungen. Letzthin, als ich nach zwanzig Tagen Schicht wieder auf die Insel kam, be- wunderte ich sie noch, wie sie allesamt am Nordkai standen, einer neben anderen, und auf einen Punkt am Horizont starrten. Ich wähnte sie voller Klugheit und Erinnerungen. Jetzt weiß ich, dass sie bar jedes Gedankens Die See ist durch ihre Augen eingedrungen, hat ihre Köpfe langsam leergeschwemmt. (S. 10)

Die raue See ließe sich gut zeichnen, ist präzise wie Blattwerk. Sie bietet nun all ihren Pomp auf, rollt an, zerbirst am Unterbau und formt um den Leuchtturm ein weites Gischtgestade, dessen Gleißen kein Blick standhält. (S. 12)

Aus der Ferne muss dieser einsam dastehende Leuchtturm unheimlich wirken. Wir, die ihn bewohnen, wissen ja Bescheid. Manchmal glaube ich, an etwas Bedeutendem teilzuhaben, ohne zu begreifen, was es ist. (S. 15)

Erst war jeder Augenblick ein erster. Alle Himmelsfronten bezogen um mich Stellung. Ich konnte nicht mehr altern. Ich liebte den wunderbaren Moment der Morgendämmerung, die große Stille, wenn das Feuer erlischt. Die einfachen, schönen Gesten, das Anbringen der weißen Vorhänge rund um die Laterne. Eine Zeremonie. Ich hatte das Gefühl, in das Geheimnis des beginnenden Tages eingeweiht zu sein. (S. 19)

Der Große Bär stand über Brest, sein äußerster Stern ertrank im Lichtmeer über der Stadt. Im Osten der grünliche Schein einer neuen Reihe von Laternen, die man unlängst an den Kais der Insel aufgestellt hatte. Auch zu Füßen des Leuchtturms spiegelten sich Lichter. [...] Da lebt im Herzen der unsägliche Schmerz auf (so fern von den Sternen, von all den Lichtern). Der Wind kam aus Nordwest und frischte auf, wie ich an Brausen erkannte. Das kündigt das Ende des Tiefs an. Ich schloss die Augen. Lauschte nach Kräften, regungslos, bereits über die Maßen angespannt: ich versuchte anzukommen. (S. 26)

Der Seegang legt sich. Morgen gehe ich an Land. Heute früh Reinigung der Optik. In den Prismen sieht man das Meer verkehrt, in allen möglichen Farben. Ein weiß-schwarzer Himmel macht der See den Horizont strittig. Die ungleich aufwogenden Wellen rollen dahin, ohne je aufeinander zu treffen, nehmen verrückte Formen an. (S. 29)

Wir vertrauten einander, wozu also viel reden? Wohl umgab uns allerlei Lichterglanz und eine schwache Wärme, die wir möglichst lange im Raum hielten. (S. 63)

Trotz allem will ich schreiben. Wie sonst kann man dem Angriff, diesem langsamen Verschlungenwerden standhalten? Was dem Monster ins Maul werfen? Wie hart müssen die Worte, wie beunruhigend muss das Bild sein? Ich will keine Geschichte erfinden. Sondern zunächst das Unnütze zum Bersten bringen, das mit jeder Stunde anschwillt. (S. 81)

Schnee zu Gast, wie dereinst manch Regenschauer, nur weitaus rätselhafter in der Gestalt. Regen mit geschlossenen Lidern; Regen, der aus der größten Stille kam. (S. 89)

Der Schnee stöbert seitwärts durch die Lichtbündel. Kristallene Asche. Trauernahrung. Nein, den Schnee mag ich nicht. (S. 100)

In der Tat erlischt letztlich jedes Glück, so man den Worten und Dingen unablässig misstraut. Ohne einen Funken Arglosigkeit kann man nicht in See stechen. (S. 110)

Selbst der Regen ist auf Reisen. Nichts macht hier Halt. Uns gehört nichts. Wir blicken hinaus, überwachen die Schiffspassagen, notieren die Spuren eines unverständlichen Karussells. Wir beobachten, wie der Wind dreht, der Ebbestrom an Kraft verliert, sich ausgleicht und in dem Gewoge abbricht. Dann beginnt alles von vorne. (S. 114)

Jedem sein Sonntagsstaat, der in seinem Innern Glockengeläut vernimmt. (S. 116)

Diesen Wind habe ich letzte Nacht wieder erlebt. Er fegte so kompakt, so rasend an der offenen Tür vorbei, dass man ihn in der Türöffnung überhaupt nicht spürte. Eine Mauer, in die ich meine Hand schob. Die wahre Mauer des Leuchtturms, die wahre Mauer meines Hauses. [...] Ich bewohne einen Baum. Die ganze See ist sein Blattwerk. [...] Ich mag dieses Dasein, das sich so wenig aus Welt da draußen macht, ich liebe seine Art, zur Ordnung zu rufen. (S. 121)

Im Grunde sind alle Stunden der Nacht zu etwas nütze. Oft widersetzen, verleugnen sie einander. Stammverwandte Geschöpfe, die sich gerade einmal in ihrer Blässe, durch eine Lippenfalte voneinander unterscheiden. Mitunter vertragen sie sich auch, reichen einander die Hände. Dann gleitet die Nacht souverän dahin. (S. 123)

Die raue Freiheit des Windes. Unverhüllter als er ist niemand. (S. 145)


Sprechen euch die Zitate an/machen sie euch neugierig auf das Buch? Könntet ihr euch vorstellen, in einem Leuchtturm zu leben und arbeiten?

2 Kommentare:

  1. Schönen guten Morgen!

    Dann mal Willkommen zurück! Freut mich wieder was von dir zu lesen!
    Die Zitate sind sehr schön und wirken sehr stimmungsvoll - ob ich ein ganzes Buch in dem Stil lesen könnte oder wollen würde, weiß ich grade nicht. Ich glaube, mir wäre es zu langwierig auf Dauer :)
    Ich hab mal in deine Rezension oben reingeklickt, aber das war ein anderes Buch :D Aber ich hab sie natürlich gefunden. So ganz überzeugen konnte es dich ja leider nicht. Aber die Zitate entfalten dennoch eine Wirkung.

    Liebste Grüße, Aleshanee

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    1. Ahoi liebe Aleshanee und vielen Dank für deinen umgehenden Besuch ♥

      Das Buch ist ja recht kurz und auch nicht immer so geschrieben - aber ich weiß schon, was du meinst; es war definitiv nicht die leichteste Lektüre xD

      Und danke für den Hinweis; den Link passe ich an, haha.

      LG Ronja

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