One Flew Over the Cuckoo´s Nest || Ken Kesey || Penguin Classics || Roman ||
TB || 320 Seiten || 1/1
In einer psychiatrischen Klinik regieren Schwester Ratched und ihre Pfleger eine Station. Die Patienten unterteilen sich in die Chronischen, die Akuten und die Vegetierer. Von den Akuten erhofft man sich noch medizinische oder therapeutische Erfolge, während die Chronischen sich lediglich aus dem Grund in der Klinik befinden, damit sie draußen kein Unheil anrichten. Die Vegetierer sind komplett auf fremde Hilfe angewiesen und können meistens nur noch liegen. Schwester Ratched hat im Laufe der Zeit einen perfekt funktionierenden Ablauf auf der Station eingebürgert, vor Elektroschocks, Fernseherentzug oder gar einem operativen Eingriff am Gehirn schreckt die berechnende und emotionslose Frau keinesweges zurück. Diese reibungslos ablaufende Maschinerie wird jedoch just vom Neuzugang Randle Patrick McMurphy ins Wanken gebracht, der sich vor seiner Strafgefangenenarbeit auf den Feldern drücken will und sich stattdessen als scheinbar psychisch gestörter Fall in die Klinik einweisen lässt. Schon bald kann McMurphy die Insassen für sich gewinnen und zettelt eine Revolte nach der anderen an. Doch er hat sich damit auf einen sehr gefährlichen Gegner eingelassen…
Es ist schon erstaunlich, wie sehr sich die Lesegeschmäcker unterscheiden - und nicht nur das; wie sie sich auch bei einem einzelnen Menschen verblüffend wandeln und verschieben können!
So bei diesem Titel, den ich 2014 im Rahmen des Englischunterrichts der 11. Klasse verpflichtend lesen musste - und nicht nur langweilig und zäh, sondern zudem auch als anstrengend geschrieben empfand (und mit nur 2/5 Ankern bewertete). Als ich nun im Zuge einer Sitzung zur Psychiatrie/ psychiatrischen Zwangsgewalt in einem meiner Seminare im Studium noch einmal zu diesem Buch griff, konnte es mich in genau den Punkten überzeugen, in denen es mich ein paar Jahre zu vor genervt hat.
Allein voran der Schreibstil - Ken Kesey verpackt die Geschichte um Chief Bromden, McMurphy und all´ die anderen Psychiatrieinsassen beeindruckend bildgewaltig und wortreich in wunderbare Metaphern. Gerade die eher ereignisarmen Passagen, in denen die (Gedanken-) Welt des Protagonisten sich entfaltet, fesselte mich.
Denn Ken Kesey hat weitaus mehr als "nur" eine Kritik der Zustände in Psychiatrien geschrieben - Chief Bromdens Überlegungen zur Combine, zum Nebel und den Schläuchen und Drähten sind viel eher eine allegorische, unfassbar treffende und gar nicht so subtile Gesellschaftskritik.
Weiterhin begeistern konnte mich die schrittweise Charakterentwicklung Chief Bromdens. Selten hatte ich mehr das Gefühl, förmlich zuschauen zu können, wie sich eine Figur weiterentwickelt, stärker wird. Oder eben zu seiner alten Stärke wiederfindet. Und zugleich scheint diese Aufrichtung des Protagonisten die zunehmende Schwächung McMurphys zu bedeuten. Anders als beim ersten Lesen fand ich diese Entwicklung nicht mehr frustrierend, sondern berührend und emotional, zugleich aber auch überzeugend und stark.
Hatte ich 2014 noch das Gefühl, oftmals überhaupt gar nicht zu wissen, was passiert, bzw. was genau gemeint ist, da die Geschichte aus Sicht eines schizophrenen Insassen der Klinik erzählt wird, so kam ich beim erneuten Lesen perfekt klar. Vielleicht weil ich älter geworden bin, konnte ich erkennen, welcher Erzählstrang die eigentliche Handlung darstellt, und welcher die Gedankenwelt Chief Bromdens, die sinnbildlich Entwicklungen in der Außenwelt umschreibt. Und ein bisschen verhält es sich bei diesem Buch auch wie mit Harry Potter (und Dumbledore) - nur weil es im Kopf geschieht, heißt das, dass es nicht real ist?
... noch ein paar Worte zu Gestaltung und Titel:
[3/5] Das Cover ist nicht unbedingt als schön zu bezeichnen, aber es passt zu Inhalt und Stil und mir gefällt die silbern schimmernde Schrift. Die Illustrationen bzw. Zeichnungen im Inneren sind auch eher bizarr und unansehnlich, passen aber auch wieder gut zur Geschichte. Der Titel ergibt sich im Laufe des Buches und ist wegen/trotz seiner Sperrigkeit ungewöhnlich und treffend.
Absolute Empfehlung für Leser,
die gewillt sind, ein anspruchsvolles Buch mit viel Stoff zum Nachdenken zu
lesen, sich auf einen ungewöhnlichen Schreibstil einlassen können und wollen und nicht nach einer kurzweiligen Lektüre suchen. [Und wie ich 2014 bereits so schön aus dem Englischunterricht runtergeleiert habe: Ken Kesey nutzt das Beispiel der Psychiatrie als Metapher für das gesamte System und kritisiert somit das Zusammenspiel von Individuum und Gemeinschaft.]
sprachgewaltig ~ (gesellschafts-)kritisch ~ ruhig
Lest ihr gerne gesellschaftskritische bzw. tiefgehende Bücher, oder dann doch eher kurzweilige Romane, Thriller, Krimis, etc.? Habt ihr die Verfilmung mit Jack Nicholson gesehen? Und wenn ja, was haltet ihr von ihr? Und falls jemand von euch zufällig die deutschsprachige Ausgabe gelesen hat: Wie empfandet ihr die Übersetzung? Ich habe ja ein paar kurze Zitate gesehen und fand die Sprache ganz schauderhaft...
Hallo und guten Mary,
AntwortenLöschenschön, dass Du "Einer flog über das Kuckucksnest" am Ende Deiner Ausführungen ansprichst....denn klar habe ich den gesehen...was für ein toller Film und wirklich sehenswert ....weil immer noch brandaktuell.
Ich denke, es ist sehr schwierig Leute in dieser Richtung zu beurteilen und entsprechend weg zu sperren zu lassen.
Zumal mir dazu auch der Film "Shutter Island" mit Leonardo DiCaprio in der Hauptrolle einfällt. Lange Zeit habe ich gerade bei diesen Film nicht gewusst, wer ist der Patient/der Täter oder ein mögliches Opfer...
Wo Leute eingesperrt werden könnte ich persönlich ohnehin nicht arbeiten...
LG..Karin...
Ahoi Karin,
Löschenich finde es auch erschreckend, wie brandaktuell "alte" Bücher manchmal sind, und dieses hier in puncto der neuen Psychiatriegesetze ja auch o.O
Shutter Island notiere ich mir mal, danke für die Empfehlung!
Wie genau meinst du das, dass es schön sei, dass ich "Einer flog über das Kuckucksnest" am Ende meiner Ausführungen anspreche?
Sonnige Grüße,
Mary <3
Hallo Mary,
AntwortenLöschenhihi....keine Sorge es kommt nichts schlimmes...
ganz einfach, weil es ein doch sehr alter Film ist und hier Jack Nicholson wirklich eine klasse schauspielerische Leistung abliefert, die an die Nieren und zu Herzen geht
...zumal er meistens eher den Unsympathten verkörpert...der zu dem auch noch böse/gemein usw. ist....also keiner dem man irgendwie Mitleid entgegen bringen möchte oder gar würde......
LG..Karin...
Ahoi Karin,
Löschenachsoooo, ja stimmt, ein wirklich großartiger Film, der nicht in der Versenkung verschwinden sollte, nur weil er alt ist ^^
Alles Liebe,
Mary <3