Politisch, poetisch, polemisch: Texte zur feministischen Gegenwart || herausgegeben von Caroline Kraft & Elisabeth Wellershaus || leykam: Verlag || Essaysammlung || eBook || 256 Seiten || 1/1
Ahoi! Ich gebe es zu - bis ich über dieses Buch stolperte, kannte ich die 10 nach 8-Kolumne nicht; jetzt werde ich da wohl häufiger mal reinlesen! Denn was die Autor*innen dieser Essaysammlung da zusammengetragen haben, konnte mich tief berührend, aufwühlen und packen. Nicht jeder Essay thematisch und/oder stilistisch gleichermaßen - aber im Grundtenor immer; ich habe mir so viele Zitate markiert und hätte ganz oft (und laut) "JA!" rufen können. Gerade Annet Gröschners "Ma ist auf Reisen", Dilek Güngörs "Wie uns die Sprache abhandenkam", Caroline Krafts "Für wen leben, wenn nicht für Kinder" und Maria Popovs "Wenn Hella von Sinnen nicht deine Heldin ist, gehst du leer aus" konnten mich aus persönlichen Gründen besonders abholen und mir aus der Seele sprechen - während etwa die Perspektiven von Aylin Karadeniz, Nargis und Karosh Taha sowie Didem Ozan mich nachdenklich stimmten. Ich schätze die breite Themenvielfalt und Diversität der Autor*innen der Essays - bereichernd und horizonterweiternd! Hier also jetzt ein paar Einblicke.
Ich könnte noch länger erzählen, und ich würde mir wünschen, dass ich es nicht müsste, dass ich davon nie wieder erzählen müsste. Ich erzähle es, weil ich mit jedem Gespräch, das ich mit anderen Frauen führe, jedes Mal wieder aufs Neue überrascht bin, jedes Mal wieder bemerke, dass all das nicht nur ich erlebt habe, dass wir uns auf so vielen Ebenen geschämt und kleingemacht haben, wie sehr wir gelernt haben, nett zu sein, nicht aufzufallen, nicht unangenehm zu sein, die Straßenseite zu wechseln, nicht zu laut zu lachen, nicht zu sehr aus der Rolle zu fallen, dass es wehtut. (Tanja Raich)
Was nützt die ganze #MeToo-Bewegung, wenn wir weiterhin davon erzählen wollen, dass es nicht ausreicht, eine Frau zu sein, eine Schauspielerin, eine Ärztin, eine Gärtnerin, eine Kellnerin, eine Mutter, eine Tochter, eine Schwester, eine Hebamme, eine Pilotin, eine Wissenschaftlerin und so weiter? Dass man bei alldem immer schön sein muss. Dass ein Mensch zu sein nach wie vor nicht ausreicht, wenn man eine Frau ist. (Nino Haratischwili)
Ich frage mich, ob das alles wirklich so sein muss, ob Blut letztlich immer dicker als Wasser ist, ob es nicht Formen der Gemeinschaft gibt, abseits der Kernfamilie, die verbindlich sein können und die nicht an besagte Grenze stoßen. Und ob es für Menschen wie mich nicht viel leichter wäre, eine Entscheidung für oder gegen Kinder zu treffen, wenn wir anfangen würden, Familien größer zu denken— indem wir sie als soziales Konstrukt verstehen und nicht als biologisches.
(Caroline Kraft)
(Caroline Kraft)
Ich erzähle die Geschichte unserer Emigration so ausführlich, um deutlich zu machen, dass Menschen gute Gründe haben, wenn sie ihre Heimat verlassen. Menschen flüchten, weil sie in Gefahr sind. Weil ihre Kinder in Gefahr sind, weil ihre Lebensgrundlage zerstört wurde und weil sie sich großen Risiken aussetzten, wenn sie blieben. Menschen lassen nicht alles zurück, weil sie arbeitsscheue Gammler sind, die den Wohlstand des Westens ausnutzen wollen, so wie es zuweilen dargestellt wird. Sie gehen aus Not und nehmen in Kauf, in der Fremde vielleicht nie ganz anzukommen. (Fatin Abbas)
Bücher scheinen wie Kaffeesatz zu sein: Sobald Menschen über sie sprechen und darüber, was die Geschichte in ihnen ausgelöst hat, erzählen sie mehr über sich selbst als über das Buch.
(Karosh Taha)
(Karosh Taha)
Um Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit zu empfinden, braucht man kein Schulwissen oder Wissen aus Büchern, sondern ein Herz. (Karosh Taha)
Diese Männer haben Angst davor, ihre Macht zu verlieren. Menschen, die Angst vor Machtverlust haben, wissen, dass ihnen diese Macht nicht zusteht — anders kann ich mir ihren diktatorischen Zugriff nicht erklären. Ihre Macht beruht auf der Unterdrückung anderer Menschen, und das Fundament ist so bröckelig, dass sogar Bücher sie stürzen könnten. Unsere Bücher. (Karosh Taha)
Kinderfilme und Serien für Jugendliche, die queere Themen behandeln, sind für alle ein Gewinn. Weil sie den Normalitätsbegriff ausweiten und so definieren, dass wir alle darin Platz finden: queere Menschen, nicht queere Menschen und alle, die das für sich noch herausfinden möchten. (Maria Popov)
Dem pluralistischen Ethos wird man nicht dadurch gerecht, dass man im Plural spricht. In der alltäglichen Praxis zeigt sich das Bekenntnis zu gelebter Vielfalt vielmehr im achtsamen Umgang mit Wir-Formulierungen. Und im aufrichtigen Interesse am Du, mit dem jede Arbeit am Wir beginnen muss. (Teresa Koloma)
Sprechen euch die Zitate an/ machen sie euch neugierig auf das Buch? Mögt und lest ihr Essays/ Essaysammlungen?
Hi Ronja!
AntwortenLöschenIch freu mich dass du hier so viele Zitate gefunden hast und dich diese Sammlung so ansprechen bzw. aus dem Herzen sprechen konnte :)
Die ausgewählten Zeilen sprechen alle für sich und zeigen, dass sich einiges tut. Hoffentlich in die richtige Richtung.
Zum selber Lesen reizen sie mich jetzt nicht, weil ich über solche Themen einfach nichts lesen möchte und auch nicht brauche. Da hab ich einfach schon meine eigenen Gedanken und Grundsätze, die ich nicht nochmal lesen muss ;) Aber solche Bücher und Statements sind wichtig!
Liebste Grüße, Aleshanee
Ahoi liebe Alex,
Löschenja das hoffe ich echt, das wir uns in die richtige Richtung entwickeln und endlich bei allen ankommt, dass wir von einer hassfreien, gleichberechtigten und toleranten Gesellschaft alle nur profitieren ♥ Leben und leben lassen!
LG Ronja