Ahoi! Heute möchte ich euch mit nach Nigeria nehmen - leider nur virtuell. Wer mal ein wenig aufmerksamer bezüglich des Settings von Büchern ist, dem wird schnell auffallen, dass der Großteil der Geschichten in den USA oder in Großbritannien bzw. allgemein europäischen Ländern spielt. Auch wenn ihr mal runterscrollt und euch meine Labels anschaut (ich label Rezensionen auch immer mit den Handlungsorten), wird das deutlich. Durch die Beliebtheit von Adaptionen der Geschichten aus 1001 Nacht erweitert sich das Ortsspektrum momentan ein wenig. Aber nennt mir doch mal spontan ein Fantasybuch, das in Tadschikistan spielt. Oder eine Contemporary Lovestory in Laos.
Und Bücher, die in einem afrikanischen Land spielen, haben oft diesen exotische Flair, dieses "guckt mal, wie anders die da sind". Stereotype werden dann bedient. Armut, Safari, Elefanten. Umso begrüßenswerter sind own-voice-Erzählungen; Autoren, die von ihrem Hintergrund erzählen. Das ist der Fall bei dem bald auf Deutsch erscheinendem Children of Blood and Bone - Goldener Zorn, dessen Setting von Tomi Adeyemis nigerianischer Herkunft geprägt ist. Das habe ich mir zum Anlass genommen, Atlas und Lexikon für euch zu wälzen, um euch ein wenig über dieses westafrikanische Land zu erzählen!
Viele Begriffe und Orte, die einem im Buch begegnen, gibt es in echt auch - sowohl Ibadan, als auch Lagos existieren, oder auch der Jollof Reis und Dashikis. Und der Name des Landes - Orisha. So werden die Götter in der Religion der Yoruba, einer Ethnie der etwa jeder Fünfte im Südwesten Nigerias angehört, bezeichnet. Auch das Ashé kommt nicht nur im Buch vor - für die Yoruba stellt es die universelle Lebensenergie dar. Da die Geschichte jedoch im Fantasygenre anzusiedeln, entspricht einiges natürlich der Fiktion. Daher nun zu den Fakten.
Mit über 190 Millionen Einwohnern ist Nigeria nicht nur mit Abstand das bevölkerungsreichste Land Afrikas, sondern zugleich das siebtgrößte der Welt! Mit knapp 925.000 km² ist das Land etwa 2,5 mal so groß wie Deutschland und die größte Stadt Nigerias, Lagos, hat mit 11 Millionen drei Mal so viele Einwohner wie Berlin! Schwirrt euch der Kopf vor Zahlen? Dann hier ein kurzer Steckbrief zur Auflockerung:
Der Name des Landes leitet sich übrigens vom Namen des drittlängsten Stroms Afrikas ab - dem Niger. Mit 4.184km ist der Niger der längste Fluss Westafrikas und fließt durch fünf Staaten: Guinea, Mali, Niger, Benin und schließlich Nigeria.
Mit ihren drei senkrechte Streifen hat die nigerianische Flagge einen hohen symbolischen Charakter: Die beiden grünen, äußeren Streifen stehen für die grüne Landschaft des Landes, während der weiße Streifen in der Mitte Frieden und Einheit symbolisiert.
Zugleich ist Nigeria aber auch ein Land mit hoher kultureller Vielfalt - neben den Yoruba sind Igbo und Hausa die größten Volksgruppen; es gibt aber wohl rund 400 weitere und 514 verschiedene Sprachen und Idiome werden gesprochen. Allein die Sprachen Nigerias machen damit etwa 7% der weltweit gesprochenen aus! Amtssprachen sind Yoruba, Igbo und Hausa, sowie Englisch. Durch die hohe Bevölkerungszahl, sprechen in Nigeria mehr Menschen Englisch, als in Großbritannien und Australien zusammen.
Mit Zahlen zur Wirtschaft werde ich euch nicht behelligen, weiß ich doch, auf wie wenig Gegenliebe meine Begeisterung für Ökonomie stößt! Nur so viel: Nigeria ist die (zweit-)größte Volkswirtschaft Afrikas und wird wie Indien oder China als Schwellenmarkt charakterisiert. Zum Thema Politik könnte ich euch ähnlich enthusiastisch ebenfalls eine Menge mehr erzählen, als dass die Staatsform des Landes eine Bundesrepublik ist und die Regierungsform dem Präsidialsystem entspricht. Aber das lasse ich mal ;)
Um die facettenreich Geschichte des Landes kurz anzureißen: Bereits in der Steinzeit war das heutige Staatsgebiet besiedelt (Nigeria könnte einer der Orte mit den frühesten Menschen gewesen sein - Archäologen vermuten, dass bereits 9000 v.Chr. hier Menschen lebten!), brachte die Nok-Kultur (1000 v.Chr. - 300 n.Chr.) hervor, sowie die Hausastaaten, das Kalifat von Sokoto und das Oyo-Reich der Yoruba (ca. 1400-1905). Bei meiner Recherche habe ich gelesen, dass es bei den Yoruba wohl eine überdurchschnittliche Häufung von Zwillingsgeburten gibt und manche Wissenschaftler sogar von den Yoruba als Volk mit der höchsten Zwillingsgeburtenrate der Welt sprechen. Lange Zeit galten Zwillige als Teufelswerk, bis sich diese Sichtweise im 19. Jahrhundert änderte und Zwillinge besonders verehrt wurden. Total interessant: Der erstgeborene Zwilling wird als jüngerer Zwilling angesehen. Es wird nämlich angenommen, dass der Zweitgeborene den Erstgeborenen quasi "vorschickt" und auf das Schreien wartet, bevor es sich anschließt. Das als Einschub, zurück zur Geschichte des Landes. Bereits im 15. Jahrhundert landeten die ersten Europäer an der Küste Nigerias, von 1862 an beanspruchte Großbritannien Herrschaftsanspruch über das Land und machte es zu seiner Kolonie. Alle vorherigen Reiche wurden zerschlagen, die Grenzziehung des neuen Staates erfolgte, wie in so vielen Fällen, ohne Berücksichtigung der vorhandenen Gegebenheiten, also Völker, Sprachen oder Kulturen. Bis heute hat das Auswirkungen - es gibt Bestrebungen des Norden des Landes, sich vom (erdöl- und diamant-)reichen und größtenteils christlich geprägten Süden abzuspalten und einen islamischen Staat zu gründen. Die eklatante Ungleichverteilung des Reichtums des Landes lässt sich noch eindrucksvoller illustrieren: Nigeria ist der drittgrößte Champagnerkonsument, während zugleich über 60% der Bevölkerung von weniger als 1 US-$ pro Tag leben.
Auch klimatisch gibt es große Unterschiede innerhalb Nigerias - von Regenwäldern und sumpfige Mangrovenwäldern, über ein Hochplateau bishin zur Savanne und sogar einem kleinen Sahelzonenbereich.
Den Jollofreis hatte ich ja eingangs schon erwähnt, weitere wichtige Grundnahrungsmittel stellen Maniok, Hirse, Yams und Süßkartoffeln, sowie Bohnen, Melonen, Ananas und auch Pfeffer dar. Nigeria ist der viertrgößte Produzent von Kakao und sogar der weltgrößte Produzent für Maniok, deren Wurzelknollen im rohen Zustand giftig sind.
Euch allen werden Hollywood und auch Bollywood ein Begriff sein. Nollywood vermutlich aber eher nicht. Und das obwohl es mit 400-2000 Filmen pro Jahr mit Indien und den USA zu den größten Filmnationen der Welt zählt, in manchen Jahren sogar mehr Filme produziert als beide! Religion, Liebe, Aberglaube, Verrat, Betrug, Intrigen, Prostitution, Mord und Kannibalismus sind populäre Themen in nigerianischen Filmen, zunehmend werden aber auch Korruption und post-koloniale Konflikte sowie die nigerianische Politik thematisiert. Neben der Filmindustrie ist auch die Literatur für Nigeria bedeutend - war doch der erste Literaturnobelpreisträger der afrikanischen Literatur, Wole Soyinka, Nigerianer. Weiterhin befindet sich die vermutlich größte Galerie Westafrikas, die Nike Art Gallery in Nigeria. Sie beherbergt etwa 8.000 Kunstwerke nigerianischer Künstler.
Und noch ein Funfact zum Schluss: Die Muppet-Show gibt es auch in Nigeria, wenn auch mit etwas angepassten Figuren - so isst Zobi, das Pendant zum Krümelmonster, Yamswurzel und ruft denn auch “Me eat yam!”.
Jetzt seit ihr gefragt! Wie gefällt euch dieses Format? Was fandet ihr am interessantesten? Hättet ihr Lust, zukünftig häufiger mal eine solche Ländervorstellung zu lesen? Wenn ja, welches Land interessiert euch am meisten? Und: Welche Bücher mit "ungewöhnlichem" Setting fallen euch spontan ein?
Hallo Mary,
AntwortenLöschenbei Afrika fällt mir..Die weiße Massai..ein.
Spielt aber in Kenia und ich denke mir, ein gutes Beispiel, wie eine Europäerin/ Schweizerin versucht in Kenia mit einer ihr fremden Kultur und allem anderen wegen ihrer großen Liebe zu ihrem Freund/Mann klar zukommen.
Ich fand, dass schon ganz schon realistisch.
Sonst bin ich ein Fan vom "Reisen mit dem Finger auf der Landkarte". Denn ich finde, man kann und soll nicht überall sein...
LG..Karin...
Ahoi Karin,
Löschenja das stimmt auch wieder, die vielen Touristen tun vielen Orten nicht gut ^^ Umso wundervoller finde ich es ja, mit Büchern reisen zu können. Nur wird die ewige US Highschool langsam echt langweilig...
Liebe Grüße, Mary <3
Hey Mary =)
AntwortenLöschenIch finde diesen Beitrag super!
Du hast da natürlich recht, dass die meisten Bücher (hier zumindest) in den westlichen Ländern spielen und Afrika wirklich eher als Urlaubsziel und nicht unbedingt als "ernste" Kulisse genommen wird.
Ich wusste z. B. gar nicht, dass Nigeria so groß ist und so viele Menschen dort leben. Auch dass es als Schwellenland betrachtet wird, war mir nicht klar. Die Bilder zwischendurch sind natürlich schön anzusehen^^
Gerne mehr davon!
LG <3
Anna
Ahoy Anna,
Löschenvielen Dank für dein Feedback! Freut mich, dass dir das Format (und die Bilder *-*) gefällt :)
Bin mal gespannt, wie sich der Buchmarkt weiterentwickelt - ob abwechslungsreichere Settings & diversere Charaktere wohl noch "in" werden?
Und uih, freut mich, dass du sogar inhaltlich was mitnehmen konntest :) Ich habe bei der Recherche auch echt viel erfahren, allein dafür hat sich der Post gelohnt ^^
Liebe Grüße, Mary <3
Hey!
AntwortenLöschenIch finde das Format richtig toll, also gerne mehr davon :)
Das Setting in Children of Blood and Bone fand ich super <3 Die Beschreibungen waren fast magisch, ich wäre am liebsten auch dort gewesen.
Mangrovenwälder liebe ich sehr, die gabs in der Dom Rep auch als ich da war.
Also.. die gibts sicherlich immer noch :-D Doof ausgedrückt haha.
Liebe Grüße,
Nicci
Ahoi Nicci,
Löschendu kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich mich über deine Rückmeldung freue! Ich habe an dem Format nämlich viel Spaß - umso schöner, dass es gut ankommt :)
Ich hoffe, ich sehe eines Tages auch mal Mangrovenwälder, die klingen total faszinierend...
Alles Liebe
Mary <3