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Sonntag, 28. Mai 2023

{Rezension} Kleiner Atlas der Leuchttürme am Ende der Welt ~ José Luis González Macías

Kleiner Atlas der Leuchttürme am Ende der Welt || José Luis González Macías || 
mare || Sachbuch || HC || 160 Seiten || 1/1

Licht und Dunkelheit, Wind und Wasser, Einsamkeit und Hoffnung verbinden wir mit Leuchttürmen, aber auch beeindruckende Menschen, die das Feuer bewachen. Deren Geschichten erzählt dieses Buch, durch das sich wie ein Leuchtfeuer die Faszination für einen ungewöhnlichen, im Verschwinden begriffenen Arbeits- und Lebensraum zieht: von einem Leuchtturmwärter, der allmählich sein Augenlicht verliert und trotzdem seine Stellung hält, von einem Leuchtturm auf einer wandernden Insel, der irgendwann außer Sichtweite des Meeres steht, vom Klappern einer Schreibmaschine, das man nach dem Tod des Leuchtturmwärters nachts noch zu hören glaubt, oder einem zwölfjährigen Mädchen, das zum rettenden Engel unzähliger Schiffbrüchiger wird.


Seit ich durch Leuchttürme - Von Borkum bis Usedom meine Faszination für Leuchttürme entdeckt habe, komme ich um Bücher zu den Lichtwächtern der See nicht mehr herum - egal ob Romane oder Sachliteratur. Als ich diesen Augenschmaus in der Vorschau entdeckte, war es sogleich um mich geschehen.

Und als ich dann zwischen den Buchdeckeln Leuchttürme fern und nah besuchen konnte, waren der Zauber und die Gänsehaut wieder da - in dieser Hinsicht bin ich wahrlich ins falsche Zeitalter geboren worden; wie gerne wäre ich Leuchtturmwärterin! Ich glaube, das wäre mein Traumberuf - Alltag und Routine, aber doch jeden Tag anders, bezahlt werden fürs Aufs-Meer-Gucken und die Ruhe und Abgeschiedenheit. 

»Es liegt etwas Schönes und Wildes in diesen unmöglichen Bauwerken. Vielleicht, weil wir intuitiv wissen, dass es sich um Wesen handelt, die im Sterben liegen. Ihre Lichter erlöschen, ihre Körper zerfallen. Und auch wenn viele dieser Wachtposten nicht müde werden, ihre Aufgabe, Gewässer zu beleuchten, zu erfüllen, sorgen neue Technologien der Kommunikation auf See dafür, dass ihre Funktion mehr und mehr entbehrlich wird. Die Schiffe sind auf den romantischen Schutz nicht länger angewiesen, und neue Wegweiser - Satelliten im Orbit, Sonar und Radar - lassen uns vergessen, dass die Leuchttürme Heimat und Arbeitsplatz für Männer und Frauen waren, deren Namen wir häufig nicht kennen. […] Die meisten Leuchtturmwärterinnen und -wärter, Sinnbilder für Wachsamkeit und Schutz, haben ihren Beruf aufgegeben. Aber auch wenn diese Lebensweise im Begriff ist, das Zeitliche zu segnen, bleiben uns immer noch ihre Geschichten. Überreste in Gestalt von Worten aus einer Zeit, in der Technik und Heldentum ein und dasselbe waren. Denn in den Leuchttürmen, vor allem in den abgelegenen, waren die Menschen immer schutzlos den Launen der Natur ausgeliefert.«


Besonders gefallen an diesem Büchlein hat mir, dass die Geschichten um Turm und Menschen nicht nur so verschieden sind, sondern auch zeigen, dass Frauen sehr wohl eine Rolle für und in den Türmen spielten - explizit auch als Leuchtturmwärterinnen. Sonst wird ja gerne nur "die Frau des Leuchtturmwärters" erwähnt. Gerade die Geschichten von Ida Lewis auf Lime Rock, Abbie Burgess auf Matinicus Rock, Grace Darling auf Longstone oder auch der Katze Tibbles auf Stephens Island berührten und begeisterten mich. Und natürlich - Eilean Mòr. Über das mysteriöse Verschwinden der drei Leuchtturmwärter habe ich nun schon etliche Male und zwei Romane gelesen.

Aber auch sonst allerhand kuriose, faszinierende, aufwühlende und bewegende Geschichten - zwischen Staunen und Fernweh konnte ich die Brandung, das Tosen des Meeres und die Stille des Ozeans förmlich hören; das Salz in der Luft schmecken und mit diesem kleinen feinen Atlas an die entlegensten Orte reisen. Die meisten Türme werde ich wohl leider nie bereisen können; nur beim dänischen Rubjerg Knude kann ich mich rühmen, bereits vor Ort gewesen zu sein,



Die Gestaltung ist einladend und wertig, die Seiten von weicher Haptik und das Farbkonzept ausgesprochen harmonisch - die Illustrationen und Karten sind vorwiegend türkis wie der Einband gehalten; rot als Akzentuierung wie der Leinenrücken des Buches. Häufig waren mir die Karten zu "nah dran" als dass ich Ihnen viel entnehmen konnte - glücklicherweise gab es aber immer zwei kleine Ausschnittskarten, denen ich entnehmen konnte, in welchem Teil der Welt ich mich gerade befinde. 

Jedem der 34 Leuchttürme sind zwei Doppelseiten gewidmet - eine große Illustration, eine Seite Text, eine kleine Umrisszeichnung des Turms inklusive einiger Daten wie Bau- und Betriebszeiten, Höhe, Kennung und Koordinaten, sowie eben besagte Karten. Sortiert ist der Atlas nicht geographisch sondern alphabetisch; eine Weltkarte am Anfang gibt Überblick über die vorgestellten Türme.

Dieses Buch zu lesen; darin zu schmökern, macht einfach Spaß - ferne Orte, kuriose Ereignisse, eigenwillige Menschen, beeindruckende Architektur und Faszination Meer. Wahrlich eine erquickliche Lektüre und optisch ein Fest dazu.


VIELEN DANK AN MARE FÜR DAS REZENSIONSEXEMPLAR

Kein wissenschaftliches Kompendium eines Experten, sondern eine ehrfürchtige Hommage an die stillen Wächter der See - und ihre Bewohner*innen. Ein Buch, das zu lesen und darin zu blättern Freude bereitet (und Fernweh weckt). Und nun weiß ich auch, was gegen Skorpione zu tun ist, warum Ketchup und Bohnen die wahren must haves wie für die abgelegene Insel sind und was Virginia Woolf, Jules Verne, Ray Bradbury und Edgar Allan Poe mit Leuchttürmen verbindet.

kurzweilig ~ träumerisch ~ erquicklich

Faszinieren euch Leuchttürme auch? Welche habt ihr schon besucht? Habt ihr Bücher über Leuchttürme gelesen? Und mögt ihr solche Atlanten? Es gibt da ja schon die verschiedensten; zu Inseln, Seewegen usw. ...


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