Botschaften an mich selbst || Emilie Pine || übersetzt aus dem Englischen von Cornelia Röser ||
btb Verlag || Essaysammlung || 5/5 Anker
btb Verlag || Essaysammlung || 5/5 Anker
Ahoi! Am 17. August 2014 habe ich euch das erste Mal Buchzitate vorgestellt - und heute nunmehr zum 100. Mal 😮🎉 (Die Übersicht aller bisherigen Bücher habe ich übrigens aktualisiert, also stöbert gerne!) Zu diesem Anlass habe ich euch natürlich ein besonderes Buch mitgebracht; eines, das so ganz anders war, als ich es erwartet hatte und das mich zugleich sehr berührte. Eine Essaysammlung, an die ich gerne zurückdenke. Kein "schönes", sondern ein erschreckendes, unverblümtes, starkes Buch.
Denn was mein Dad mir wirklich beigebracht hat, womöglich sogar gegen seinen Willen, ist, dass Schreiben eine Art ist, die Welt zu begreifen. Eine Möglichkeit, Gedanken und Gefühle zu verarbeiten und sich anzueignen. Eine Möglichkeit, aus Schmerz etwas von Wert zu erschaffen.
(S. 26)
(S. 26)
Ich schaue mich an und die Frauen um mich herum und habe das Gefühl, dass ich mich nicht mit ihnen messen kann. Und dann weil ich, dass ich ein Mädchen hin, dass ich richtig bin. Well nämlich diese Paranoia, nicht weiblich genug zu sein, nicht begehrenswert genug zu win, nicht gut genug zu sein, der ultimative Ausdruck des Francine in Diese Paranoia ist ein wesentlicher Teil dessen, wie Frauen unter Kontrolle gehalten werden dessen, wie wir uns selbst unter Kontrolle halten. (S. 163)
Warum lasse ich mich von Scham zum Schweigen bringen? Und warum fällt es mir so schwer, meinen Körper gut zu behandeln? Vielleicht weil ein weiblicher Körper für mich untrennbar mit Leiden verknüpft ist. Vom ersten Tag an, als ich meine Periode bekam und mich beschissen fühlte und nichts sagte, habe ich die Zähne zusammengebissen und es ertragen, weil ich glaubte, dass andere Frauen das auch machen, weil es von Frauen so erwartet wird. Denn weil ich eine Frau bin, soll mein Körper ein Ort der Schmerzen sein. Und Schmerz ist etwas, worüber Frauen schweigen sollen, vom Schmerz des Blutens über den Schmerz des Waxings bis zum Schmerz des Nicht mithalten- Könnens. Unser Schmerz ist nicht wichtig, Unsere Körper sind nicht wichtig. Schmerzen sind der eigentliche Tribut, den wir zahlen, und die Dividende, die wir dafür erhalten, sind gesundheitliche Probleme. (S. 164)
Ich wusste, dass diese junge Frau aus einem ganz bestimmten Grund stumm blieb: Sie ist ein Mädchen, und Mädchen wird beigebracht, still zu sein; ihnen wird beigebracht, sie wären nicht gut genug, um gehört zu werden. Die Ausnahmen, die es riskieren, etwas zu sagen egal, was -, riskieren damit auch, als forsch oder arrogant wahrgenommen zu werden. Mit diesen Ängsten kommen sie nicht auf die Welt. Mädchen werden nicht mit dem Gefühl geboren, minderwertig zu sein. Das wird ihnen beigebracht. Ich weiß das, weil es mir auch beigebracht wurde. (S. 255)
Indem ich ausweiche, indem ich die sexistischen Bemerkungen nicht thematisiere, verhalte ich mich so, als ob die anderen im Recht wären, ich verhalte mich so, als ob Frauen keine Stimme haben sollten, ich verhalte mich so, als ob ich keine Feministin wäre. Und ehrlich gesagt: Ich habe es satt, Feministin zu sein. Ich habe es satt, dafür verantwortlich zu sein, Sexismus zu benennen und zu bekämpfen und zu beheben. Ich habe es satt, dass das so notwendig und so schwierig ist. Und habe meine eigene Internalisierung satt, habe es satt, dass ich mich mitschuldig mache und das Spiel mitspiele. (S. 258)
Wenn ich meine Abneigung gegen Gefühle in der Arbeit näher betrachte, erkenne ich, dass ich Gefühle - sie zu haben, zu zeigen, darüber zu sprechen - nicht nur für ein Zeichen von Weiblichkeit halte, sondern für ein Zeichen von Schwäche. Ich habe die Vorstellung verinnerlicht, dass ich diese Gefühle allesamt verleugnen muss, alle Weiblichkeit, alle Schwäche, wenn ich als Intellektuelle ernst genommen werden will. (S.260)
Ich wollte immer gemocht werden. In diesem Punkt bin ich genau wie andere Frauen. Frauen wollen liebenswert sein. Frauen sollen liebenswert sein. Und Frauen werden verurteilt, wenn sie nicht liebenswert genug sind. Aber so sehr Liebenswertsein gesellschaftlich wünschenswert ist, im beruflichen Kontext bremst es uns. (S. 260)
Ich werde meine Ideen und meine Gefühle wertschätzen. Ich werde jeden Tag schreiben, weil Schreiben eine der Tätigkeiten ist, bei denen ich mich am lebendigsten fühle. Ich werde weiter Vorlesungen halten und unterrichten, was ich mit Leidenschaft tue. Ich werde nicht zögern, das Wort Vergewaltigung auszusprechen, nur weil ich einen hübschen Rock trage. Ich werde Misogynie beim Namen nennen. Ich werde gegen den verinnerlichten Sexismus ankämpfen. Ich werde nett zu meinen Kolleginnen und Kollegen sein, gerade weil ich nicht weiß, was sie empfinden und wie sie sich fühlen. Ich werde frühstücken. Ich werde zu Mittag essen. Ich werde zu Abend essen (und zwar nicht am Schreibtisch). Ich werde auf meinen mittelbejahrten Körper achtgeben. Ich werde Zeit mit Menschen verbringen, die ich liebe. Ich werde Tochter und Schwester und Tante und Partnerin und Freundin sein. Und ich werde meine Studierenden fragen, was sie tun würden, wenn sie keine Angst hätten. Und ich werde mir anhören, was sie antworten. Und ich werde sie mitfühlend daran erinnern, dass das eigentliche Scheitern darin besteht, es nicht zu versuchen. Ich versuche es. Und ich habe Angst. Ich habe Angst, über das Ausweichen zu schreiben, über Emotionen und Überarbeitung, über Depression und Burnout, weil ich immer noch überzeugt bin, dass es mich nicht stark, sondern schwach aussehen lässt, wenn ich Verletzlichkeiten eingestehe. Ich habe Angst, dadurch nur meine Jugend, Niedlichkeit und Machtlosigkeit zu bestätigen. Ich habe Angst, all die krassen Sachen zu gestehen und die schlimmen Sachen, die nicht liebenswerten Sachen. Ich habe Angst, mich bloßzustellen. Ich habe Angst, Mitleid zu erregen. Oder Ablehnung. Ich habe Angst, angeschrien zu werden. Ich habe Angst, anstrengend zu sein. Und ich habe Angst, nicht anstrengend genug zu sein. Ich habe Angst. Aber ich mache es trotzdem. (S. 266)
Sprechen euch die Zitate an/machen sie euch neugierig auf das Buch? Schreibt ihr Tagebuch/einen Jahresbrief an euch selbst?
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