Femina: Eine neue Geschichte des Mittelalters aus Sicht der Frauen || Janina Ramirez || aufbau Verlag || Sachbuch || 4/5 Anker
Ahoi! Ich hoffe, ihr hattet erholsame, fröhliche Feiertage und einen guten Rutsch ins neue Jahr 😊 Neulich erschien ja meine ➽ Rezension ➽ zu diesem Buch - und heute möchte ich euch auch mit ein paar Zitaten ins Mittelalter mitnehmen.
Wer den Zugang zur Vergangenheit kontrolliert, kontrolliert die Menschen in der Gegenwart, und wer bestimmt, wer Geschichte schreibt, kann Denken und Verhalten beeinflussen. [...] Doch historische Manipulation lauert überall, und sie sickert auf ähnlichen Wegen zu uns allen durch. (S. 35)
Wenn wir die Quellen nur heranziehen, um die Vorstellung von einer Vergangenheit zu stärken, zu der die Frauen nichts beigetragen haben, werden Frauen den Eindruck gewinnen, dass sie immer unsichtbar waren. Wir brauchen eine neue Beziehung zur Vergangenheit, eine, die uns spürbar alle angeht. Außergewöhnliche mittelalterliche Frauen aufzuspüren, ist ein erster Schritt, doch es gibt noch viele andere zum Schweigen gebrachte Stimmen, die darauf warten, dass man ihre Geschichten erzählt. (S. 71)
Vieles ist verloren gegangen, geplündert worden oder liegt noch immer in der Erde, doch die archäologischen Ergebnisse, die wir heute haben, geben den vielen Frauen eine Stimme und eine Identität, die zuvor übersehen worden waren. Denn nach Männern hatte man in den archäologischen Funden und Befunden von Anfang an gesucht, nach Frauen nicht. Jetzt, da wir die Augen nach ihnen aufhalten, können wir ein neues Bild dieser Zeit zeichnen und eine Menge gebildeter, einflussreicher und wichtiger Frauen präsentieren, die das Zusammenleben ihrer Gemeinschaften prägten. [...] Frauen in unserer heutigen modernen Kirche nehmen erst in den letzten Jahrzehnten vergleichbare Rollen ein. Für eine kurze Zeit im 7. Jahrhundert waren sie Macherinnen. Manche Frauen haben, wie auch die mächtige Loftus-Prinzessin, keine Spuren in den Schriftquellen hinterlassen, ihre Wahrheit harrt noch der Entdeckung. Wir müssen nur danach graben. (S. 164)
Die Quellenlage wird immer fragmentarisch bleiben, doch diese Entdeckungen der letzten Zeit sorgen dafür, dass sich die Wissenschaft den Funden aus der Wikingerzeit mit ganz neuem Blick zuwendet. Statt einfach die uns zur Verfügung stehenden Quellen mit Techniken zu interpretieren, die wir aus älteren, tief in falschen Vorstellungen verwurzelten Traditionen ererbt haben, gibt es heute neue Ansätze. Sobald man nach Repräsentationen von Geschlechterfluidität sucht, ergibt sich eine neue Perspektive. Dies soll nicht heißen, dass sich alle Wikingerinnen oder auch nur viele von ihnen - wie eine Schildmaid, eine bewaffnete Frau, der Sage verhielten. Die Birka-Kriegerin könnte auch eine Ausnahme gewesen sein. Doch in solchen Ausnahmen können wir Inspiration finden, und ihre Geschichte stellt uns die Aufgabe, die Vergangenheit unvoreingenommen zu betrachten. Sie war ebenso komplex und widersprüchlich wie unsere Gegenwart. (S. 330)
Religiös begründete Grausamkeiten, Völkermord und koloniale Unterdrückung im Angesicht widerstreitender Glaubensüberzeugungen haben nie nachgelassen. Und doch hält sich noch immer die Binsenweisheit, dass es im Mittelalter noch viel schlimme war. Wir sind modern und progressiv. Die waren unwissend, brutal und grausam. (S. 562f.)
Dies ist nur der Beginn des Gesprächs. Diese wenigen Frauen, die ich Ihnen hier vorstelle, sind Teil einer schweigenden Mehrheit mit sehr viel mehr Stimmen, die darauf warten, gehört zu werden. (S. 846)
Schauen Sie sich genau an, wie man Sie unterrichtet hat, fragen Sie, welche Geschichten Sie nicht zu hören bekommen, und verlassen Sie die Komfortzone auf der Suche nach weniger ausgetretenen Pfaden. Wir sind alle dafür verantwortlich, wie Menschen in der Zukunft die historischen Zeiten deuten werden, die wir gerade durchleben. zunächst müssen wir zurückschauen, um zu verstehen, wo wir jetzt sind, und um die Zukunft zu schaffen, die wir sehen wollen. Diese mittelalterlichen Frauen veränderten die Zeit, in der sie lebten, und hinterließen Echos ihres Lebens, die wir Jahrhunderte später wieder hören können. Jeder und jede von uns ist Teil des sich immer wieder verändernden Zeitenlaufs. Es liegt in unserer Verantwortung, darüber nachzudenken. wie er aufgezeichnet und im Gedächtnis gehalten werden soll. (S. 848)
Sprechen euch die Zitate an/machen sie euch neugierig auf das Buch? Interessieren euch das Mittelalter und allgemein historische (Sach-)Bücher?
Oh Ronja, die schöne Tasse!!!! Und ich wollte auch noch sagen, dass ich es toll finde, dass du deinem Header ein winterliches Gewand verpasst hast :-)
AntwortenLöschenZum Buch: früher habe ich gerne und viel historische Romane aber auch Tatsachenberichte und neue Erkenntnisse usw. gelesen. Das letzte Highlight war wohl die Troja-Trilogie (ich verlinke dir den ersten Band: https://samtpfotenmitkrallen.blogspot.com/2019/02/rezension-die-frauen-von-troja-tochter.html) die ich förmlich inhaliert habe. Aber irgendwann habe ich das Interesse ein wenig verloren, alles, was irgendwie historisch ist, egal ob Buch, Serie, Film, Reportage (und da meine ich vor allem das Mittelalter, so 100 Jahre zurück geht gerade noch)....ich langweile mich nur noch.
Ich frage mich, ob diese Faszination wieder einmal kommt oder ob ich es einfach lasse und mich halt vermehrt mit der Gegenwart und der jüngeren Geschichte unserer Zeit befasse.
Falls sich das wieder ändert, was schon auch schön und spannend wäre, weiss ich, dass ich bei dir ganz viele tolle Bücher finden werde :-D
Alles Liebe
Livia
Ahoi liebe Livia,
Löschenoder? Ich bin auch ganz verliebt in die Tasse 😍
Die Trojatrilogie hab ich bei dir schon mal gesehen; momentan hab ich auf Ilias-Nacherzählungen ja keine Lust mehr (gefühlt alles gelesen 😅), aber ich merk mir das mal ^^
Aber schade, dass das Geschichtsinteresse bei dir weg ist. Bei mir war das ein paar Jahre auch so bzw ich hab halt Fantasy und so priorisiert, aber momentan finde ich wieder zurück; vor allem female retellings und Sachbücher, haha.
Liebe Grüße!
Ronja