{Kurzrezension} Das Herz eines Schiffes ~ Elinor Mordaunt

Das Herz eines Schiffes || Elinor Mordaunt || übersetzt aus dem Englischen von Alexander Pechmann || mare Verlag || Anthologie || HC || 176 Seiten || 1/1

Ein Bruderzwist gipfelt in einem Showdown auf hoher See, ein Kapitän erzwingt die Treue seiner dem Untergang geweihten Mannschaft, ein sterbenskranker Mann erträumt sich einen Heldentod im Kampf mit Piraten, und ein verliebtes Schiff verweigert seiner Besatzung den Dienst. Wer geglaubt hat, gutes literarisches Seemannsgarn sei nur von Autoren wie Jack London, Joseph Conrad und Rudyard Kipling gesponnen worden, der hat sich gründlich getäuscht: Elinor Mordaunts maritime Erzählungen, die zwischen 1912 und 1934 erschienen und in dieser Ausgabe übersetzt und kommentiert von Alexander Pechmann erstmals auf Deutsch vorliegen, sprühen vor erzählerischer Freude und dramaturgischem Gespür und sind äußerst kenntnisreich, wenn es um das Leben (und Sterben) auf den sieben Weltmeeren geht.

Der mare Verlag ist bekannt und von mir geliebt für (besonders schöne) Meeresbücher; im aktuellen Programm nehmen sie sich explizit auch der Frauen an, die vom und über das Meer schrieben. Und ich durfte einen der vier Klassikerinnen lesen.

Bis ich das Büchlein in den Händen hielt, war mir nicht bewusst, dass es genau das ist: ein Büchlein. Ich hatte mit einem durchschnittlich großen Buch gerechnet, stattdessen ein wunderbar handliches und bezaubernd leinengebundenes Exemplar in den Händen. Schnelle Lektüre also.

»Alle Schiffe, die je gebaut wurden, haben die eine oder andere Schrulle es hängt alles davon ab, in welche Richtung sie schauen, wenn man ihnen die Bolzen einschlägt und mit den Schlägen magnetisiert - positiv oder negativ, rot oder blau, Nord oder Süd. Bei Männern und Frauen nennen wir es "Temperament", "Geschmack", "Charakter"; es wird ihnen im Mutterleib eingepflanzt, und jedes Schiff bekommt seine Polarität von den Händen seines Baumeisters, sodass na ja, ganz egal, ob man es als Wille, Charakter, Macke oder weibliche Launenhaftigkeit bezeichnet, es gibt jedenfalls keine Frau auf der Welt, die davon tiefer geprägt wäre als ein Schiff, insbesondere ein Segelschiff.«

Aber mit Genuss! Auch wenn ich wieder einmal feststellen musste, dass Kurzgeschichten nicht meine liebste Form der Erzählung und Lektüre sind, hatte ich doch Freude an den so bildlichen und lebhaften Geschichten, die Elinor Mordaunt erzählt. Authentisch im Sprachgebrauch, aufmerksam in der Beobachtung - und insgesamt eher düster, pessimistisch aber zugleich humorvoll. Wer Happy-Ends sucht, ist hier jedoch fehl am Platz.

»[…] am nächsten Morgen war nichts mehr zu sehen außer dem wortkargen grauen Meer und dem grauen Himmel - und der Morgen verrät nie die Geschichten der Nacht.«

Ich habe nach den vier kurzen Geschichten und dem kontextualisierenden Nachwort Alexander Pechmanns auf jeden Fall Lust, mehr von der 1872 als Evelyn May Clowes Geborenen zu lesen; am liebsten Das Buch der Abenteuer.

... noch ein paar Worte zu Gestaltung und Titel:

[5/5] Es wird niemanden überraschen, wenn ich sage, dass ich den Leineneinband wunderschön finde. Handliches Format und Lesebändchen weiterer Pluspunkt. Den "Schuber" hätte ich nicht gebraucht, aber das produziert mare ja oft so. Der Titel hatte mich vom ersten Klang.

VIELEN DANK AN MARE FÜR DAS REZENSIONSEXEMPLAR

Kurzgeschichten, bei denen ich förmlich das Salz auf meinen Lippen schmecken und den Wind in meinen Haaren spüren konnte - von wegen, Frauen könnten keine See-Abenteuergeschichten schreiben!

abenteuerlich ~ authentisch ~ tragisch

Mögt ihr solche handgroßen Bücher oder ist euch das dann zu kleingedruckt? Und wie steht ihr zu Kurzgeschichten? Hier sehr ihr übrigens die anderen Neuerscheinungen der Klassikerinnen-Reihe.

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