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Freitag, 17. Februar 2023

Die Vermessung der Erde, des Meeres und des Himmels ~ 300. Geburtstag von Tobias Mayer

Tobias Mayer oder die Vermessung der Erde, des Meeres und des Himmels || 
Thomas Knubben || Hirzel Verlag || Sachbuch || HC || 213 Seiten || 1/1

Ahoi! Heute vor 300 Jahren wurde Tobias Mayer geboren. "Aha", sagt ihr jetzt vermutlich unbeeindruckt. Ein Allerweltsname; kein burner wie Newton, Humboldt oder Einstein. Und wenn ich euch erzähle, dass seine größte Errungenschaft Monddistanztabellen war, lässt euch das vermutlich - wenn ihr nicht gerade Astronomie- oder Mathenerds seid - auch kalt. Doch sein Vermächtnis hat verdammt viel Bedeutung, bis heute! Das süße Washitape, das ihr euch gerade bestellt habt? Der schnieke Pulli, den ihr tragt? Die leckere Mango im Kühlschrank? Bedankt euch bei Tobias! Und wenn ihr neugierig geworden seid, wieso - lest mal rein :)


Damals, und wir sprechen vom 18. Jahrhundert, tagte das Board of Longitude, über das ich hier schonmal berichtete. Es war nämlich so, dass Breitengrade dank Sternen und Sonne recht gut bestimmt werden konnten - Längengrade hingegen mehr oder weniger geraten werden musste. Das machte nicht nur Kartographie und Navigation zu einem Glücksspiel, sondern sorgte für eine Menge tragischer Unfälle und Verluste. Wie etwa 1707, als vor den Scilly Isles eine britische Flotte auf Grund lief und mehr als 1.000 Seeleute den Tod fanden. Es musste also eine Lösung her!

Ohne Dava Sobels  Longitude neu erzählen wollen, gab es zwei Ansätze, um der Längengradbestimmung beizukommen: Einen astronomischen und einen mechanischen. Harrison tüftelte an seiner Uhr; Astronomen suchten mittels Himmelsbeobachtung und seitenlangen Berechnungen der Sache auf die Schliche zu kommen. Und hier kommt Tobias Mayer ins Spiel; Kartograph, Mathematiker, begabter Zeichner, Astronom - und überhaupt, wissenschaftlich vielseitig aufgestellt. Er beobachte den Mond nächtelang, entwickelte ganze neue und viel akkuratere Mondkarten und: Die Monddistanztabellen. Ich will nicht zu sehr ins astronomische und mathematische Detail gehen, aber diese Tabellen stellten die Voraussetzung dafür, dass Längengrade (astronomisch) bestimmt werden konnten! Gedanke: Mondfinsternisse und bestimmte Mond-Sterne-Konstellationen konnten im Voraus akkurat berechnet, vor Ort dann beobachtet und mittels solcher Tabellen dann der Längengrad ermittelt werden. (15 Längengrad entsprechen ja einer Zeitstunde - findet ein Ereignis also eine Stunde nach dem für Greenwich berechneten Zeitpunkt statt, ist klar, dass die Position 15°W beträgt.)

Tobias Mayer hat aber nicht "nur" an Mondkarten und Monddistanztabellen gearbeitet - und in sein kurzes, aber wissenschaftliches fruchtbares Leben gibt Thomas Knubben in Tobias Mayer oder die Vermessung der Erde, des Meeres und des Himmels Einblick. Der Schreibstil ist leider akademisch (der Autor ist halt Prof, das merkte ich!) und dadurch teilweise anstrengend zu lesen und repetitiv - während mir das letzte Kapitel als Zusammenfassung gefiel, störte mich das einleitend erste Kapitel, da es zu viel vorweg nahm und außerhalb der Chronologie war. Auch bei Kapitelanfängen kamen Sätze vor, die eine Seite zuvor fast wortgleich fielen - erst habe ich da verwundert geblättert; als ich es dann wusste, konnte ich es hinnehmen. Typischer Unistyle; kamen direkt Erinnerungen hoch ^^

»Er konnte sich dabei allein auf seine grenzenlose Neugier, seine Wissbegierde und Hartnäckigkeit, seinen Erfindungsreichtum und den Austausch mit Gleichgesinnten stützen. Seine Erkenntnisse sind in den weiteren Entwicklungen der Wissenschaft aufgegangen, seine Haltung und seine wissenschaftliche Herangehensweise sind indes geblieben und bleiben weiterhin Ansporn und Maßstab für all jene, die den Dingen mit aller Entschiedenheit auf den Grund gehen wollen. Das machte Mayer nicht nur zu einem »Pionier der aufgeklärten Wissenschaft«, sondern auch zum Prototyp des Wissenschaftlers.«


Nachdem ich mich mit diesem akademischen Schreibstil abgefunden hatte, konnte ich das Buch genießen; bot es denn nicht nur einen Über- und Einblick in Tobias Mayers Leben, sondern auch eine gelungene Darstellung von den Lebensumständen im Deutschland zu jener Zeit. Weiterhin stolperte ich über allerhand faszinierende Nebeninformationen - was der Schriftsteller Washington Irving mit der Kugel-Scheiben-Divergenz zu tun hatte, warum die Hausnummern aufkamen, die Umstellung auf den gregorianischen Kalender, die Trennung von Wissenschaften und Künsten...

Schön ist auch die Gestaltung des schmalen Bändchens - etliche Zeichnungen, Abbildungen und Karten bereichern die Texte und veranschaulichen Mayer Zeichenbegabung sowie den Fortschritt der Wissenschaft.

»Wissenschaft geschieht nicht im luftleeren Raum. Sie ist eingebettet in den Horizont ihrer Epoche und vollzieht sich im Widerstreit übergeordneter Systeme und Interessen. Da es niemals möglich ist, die Gesamtheit aller Erscheinungen der Welt zu erfassen, ihnen gar selbst bis ins Einzelne nachzugehen und sie kritisch zu hinterfragen, ergeben sich immer Lücken zwischen scheinbar gesicherten Erkenntnissen und notwendigen Annahmen, die wiederum von Voreinstellungen, Glaubenssätzen, Parteinahmen und aktuellen politischen, ökonomischen und sozialen Problemstellungen beeinflusst sind.«


Begeistert hat mich natürlich auch wieder die Verbindung zu anderen Werken - klar, Longitude wegen der gleichen Thematik, aber auch Die Vermessung des Himmels, da Mayer beim Venustransit 1761 ebenfalls Beobachter war und in Kontakt mit Delisle. Auf Mercator wird auch ein paar Mal Bezug genommen - da wartet noch Der Weltenbeschreiber auf mich 😊 Ich finde es einfach sooo faszinierend und aufregend, über die Anfänge und Entwicklung der Navigation (und im Speziellen über die Längengradfrage) zu lesen und durch verschiedene Perspektiven und unterschiedlichen Fokus immer Neues dazuzulernen! Jetzt fehlt mir ja noch ein Buch über Maskelyne, Dava Sobels Antagonisten... leider scheint es bisher lediglich eine englischsprachige Essaysammlung zu geben; keinen Roman oder Sachbuch.


VIELEN DANK AN LITERATURTEST FÜR DAS REZENSIONSEXEMPLAR

Leider akademisch geschrieben; ansonsten hervorragender Überblick über Leben und Wirken von Tobias Mayer, sowie seine Bedeutung für Wissenschaft und heutige Welt. Auch andere Größen seiner Zeit sowie die allgemeinen Umstände werden beleuchtet.

aufschlussreich ~ informativ ~ akademisch

Liebt ihr es auch, wenn ihr in Büchern/Filmen/Podcasts über Figuren stolpert, die euch (anderweitig) schon bekannt sind? Für mich fühlt es sich dann immer so an, als würde ein neues Puzzlestück in eine Lücke eingefügt werden xD 


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